Häupl will nicht Bundespräsident werden: "Das ist für mich völlig abgehackt. Nicht einmal einen Bruchteil einer Sekunde denke ich darüber nach. Ich bin kein Kandidat."

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Alfred Gusenbauer habe auch eine politische Dimension, sagt der Wiener Bürgermeister Michael Häupl im Gespräch mit Michael Völker. Jörg Haider werde sich gegen den Tod der FPÖ wehren. Die Kandidatur von Heinz Fischer als Bundespräsident sei noch nicht entschieden.

STANDARD: Herr Bürgermeister, Sie sind gerade aus dem Urlaub zurückgekehrt. Haben Sie Angst gehabt, dass Ihnen in Ihrer Abwesenheit die Bundesregierung abhanden kommen könnte?

Häupl: Von Angst kann keine Rede sein. Hoffnung wäre der richtige Begriff. Aber nein. Ich habe nicht damit gerechnet und rechne im Moment auch nicht damit, dass diese Regierung zurücktritt. Die Situation wird aber anders ausschauen, wenn die Ergebnisse der beiden nächsten Landtagswahlen vorliegen. Dann wird sich Jörg Haider gegen den Tod seiner Partei wehren.

STANDARD: Bis jetzt hat sich FPÖ-Chef Herbert Haupt aber ganz gehalten.

Häupl: Bis jetzt hat sich Haider aus seinem Eck auch noch gar nicht rausbewegt.

STANDARD: Jörg Haider ist auch der Grund für die Verstimmung zwischen Grünen und der SPÖ.

Häupl: Man sollte nicht jedes kleine Geplänkel überbewerten. Der entscheidende Punkt ist, wie groß sind die inhaltlichen Übereinstimmungen für den Fall, dass man eine gemeinsame Regierungspolitik machen muss und wie gut können Persönlichkeiten miteinander arbeiten. Aber da sind Profis am Werk, da mache ich mir keine Sorgen.

STANDARD: Die Grünen haben der SPÖ vorgeworfen, sich allzu sehr an die FPÖ angenähert zu haben.

Häupl: Es gibt keine Annäherung. Die SPÖ versucht im Parlament eine entsprechende Mehrheit für ihre politische Position zu bekommen. Das halte ich nicht nur für legitim sondern auch für richtig. Auch die Grünen werden freiheitliche Stimmen nicht zurückweisen. Das ist nicht wirklich etwas, was man der SPÖ oder ihrem Vorsitzenden vorwerfen könnte. Ein Angebot an die FPÖ-Wähler, von denen durchaus eine ganze Menge ehemalige SPÖ-Wähler sind, halte ich auch für richtig. Selbstverständlich soll sich die SPÖ um FPÖ-Wähler bemühen.

STANDARD: Auch um eine Regierungszusammenarbeit?

Häupl: Die Frage einer Regierungszusammenarbeit zwischen SPÖ und FPÖ stellt sich doch gar nicht. Erst müssten Wahlen stattfinden, und dann werden wir schauen, wie es der FPÖ überhaupt noch geht.

STANDARD: Sind Sie über die Kritik der Grünen verärgert?

Häupl: Wenn man eine schwarz-blaue Mehrheit im Parlament verhindern will, muss es eine rotgrüne Mehrheit geben. Es macht, wie man in Wien sagen würde, keinen besonders schlanken Fuß, wenn man versucht, hier politisches Kleingeld zu wechseln. Die Grünen haben versucht, bei rot-grünen Wählern den Eindruck zu erwecken, die SPÖ wolle mit der FPÖ eine Regierung zu bilden. Das macht jedenfalls böses Blut.

STANDARD: Ist Jörg Haider der richtige Partner, um ein taktisches Bündnis einzugehen?

Häupl: Bisher sind Haider und seine Anhänger in jeder Frage umgefallen. Wenn die Kärntner FPÖ-Abgeordneten der Meinung sind, die Steuerreform gehört vorgezogen, sollte man ihnen wenigstens im Parlament die Gelegenheit geben, dafür stimmen zu können.

STANDARD: Essen Sie gerne Spargel?

Häupl: Ich esse nicht so besonders gerne Spargel, habe aber nichts gegen Leute, die Spargel essen.

STANDARD: Sie gelten wie Parteichef Gusenbauer als Genussmensch, werden der Toskana-Fraktion zugerechnet . . .

Häupl: Ich bin die Toskana- Fraktion!

STANDARD: Im Vergleich zu Gusenbauer gehören Sie doch eher der Gulasch-Fraktion an. Wie viel Hedonismus sollte ein Politiker nach außen tragen?

Häupl: Diese Diskussion ist unglaublich skurril. Es ist doch harmlos, über Wein oder Kochrezepte zu diskutieren. Ich bin dagegen, dass man sagt, jeder Sozialdemokrat hat in Sack und Asche daherzukommen und ununterbrochen die gesellschaftlichen Missstände zu bedauern. Nein, er soll gegen die politischen Missstände kämpfen und viel arbeiten. Aber er soll sich auch dazu bekennen, ich liebe die österreichischen Weißweine, die italienischen Rotweine, ess’ gerne Fisch – und das war’s. Natürlich hat Gusenbauers Weinvorliebe auch eine politische Dimension – genau so wie man über seine Frisur diskutiert hat. Wenn man jemanden in der Sache nicht erwischen kann, geht man eben auf den Mann. Im Fußball kennen wir das auch: Wenn wir den Ball nicht erwischen, hauen wir den Mann nieder. Darum geht es.

STANDARD: Macht es Sinn, gleich zwei Sondersitzungen im Sommer abzuhalten?

Häupl: Was soll eine Opposition denn sonst tun? Wir müssen doch die parlamentarischen Möglichkeiten nutzen. Die Frage vom Verkauf verstaatlichter Industrie halte ich für noch wichtiger als die Fragen Finanzierung des Pensions- oder Gesundheitssystems. Beim Verkauf der staatlichen Industrie ist der Weg nämlich unumkehrbar. Das ist dann weg. Wolfgang Schüssel sollte sich noch einmal den Stoßseufzer des oberösterreichischen Landeshauptmannes in Erinnerung rufen: "Wir sind eine christlich-soziale Partei und keine neoliberale Partei." Er hat sich nur geirrt, mein lieber Freund aus Oberösterreich. Die ÖVP ist eine neoliberale Partei, keine Rede von christlich-sozial. Wir müssen hergehen und sagen, diese Regierung, die ohnedies schon mit einem Ablaufdatum versehen ist, sollte keine Entscheidung treffen, die nachher nicht umkehrbar ist.

STANDARD: Bei der SPÖ schaut es so aus, als ob Heinz Fischer Kandidat für die Bundespräsidentschaftswahlen sein würde, bei der ÖVP drängt Erwin Pröll nach vorne. Sie können ja mit beiden ganz gut.

Häupl: Ich verhehle nicht, dass ich mit Erwin Pröll sehr befreundet bin. Aber wir sind alle Profis genug um zu wissen, welcher Partei wir angehören. Für mich steht außer Zweifel, dass die SPÖ einen eigenen Kandidaten aufzustellen hat. Wer das sein wird, wird im Herbst zu entscheiden. Heinz Fischer ist ein ausgezeichneter Kandidat, aber entschieden ist noch nichts.

STANDARD: Sie selbst wurden auch immer wieder genannt.

Häupl: Das ist für mich völlig abgehackt. Nicht einmal einen Bruchteil einer Sekunde denke ich darüber nach. Ich bin kein Kandidat. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 28.8.2003)