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Michael Köhlmeier

Foto: APA/Schneider

Betrifft: Literatur und Ressentiment. Bestsellerautor Michael Köhlmeier verteidigt Robert Menasse gegen den Vorwurf der "Freunderlwirtschaft." Eine Erwiderung auf Michael Amons Polemik zur Praxis der Kunstförderung "Schafft die Literaturpreise endlich ab!"

Wien – Ich möchte meinen Freund Robert Menasse verteidigen. Wenn Michael Amon dahinter "Freunderlwirtschaft" vermutet, dann kann ich ihn gewiss nicht umstimmen; ich weise aber darauf hin, dass ich erstens ohne Preise und Stipendien von meiner Literatur leben kann, dass ich zweitens noch nie in einer Jury gesessen habe und dass ich drittens mangels Interesse über keinerlei kulturpolitischen Einfluss verfüge. Ich verteidige Robert Menasse, weil er sich in dieser Sache selbst nicht verteidigen kann. Wer auch nur über ein geringes Einfühlungsvermögen verfügt, wird das genauso sehen.

Wer neidisch ist, hat es schwer. Aber der Neider ist ja noch der Optimist unter den Zu-kurz-Gekommenen. Er hat immerhin Hoffnung: Vielleicht kriegt er ja eines Tages auch so viel wie der andere. Wirklich arm dran ist der Missgünstige. Er weiß oder glaubt zu wissen, dass er nie so viel haben wird wie der andere. Und darum wünscht er sich, dass der andere so wenig hat wie er selbst. Und zuletzt wünscht er sich, dass keiner irgendetwas hat.

Michael Amon deckt also einen – ich zitiere – "Skandal" auf, nämlich: Robert Menasse hat viele Preise bekommen; zu viele, als dass es dabei mit rechten Dingen zugegangen sein kann. Amon schreibt nicht, wofür Menasse diese Preise bekommen hat, es genügt ihm, dass er sie bekommen hat. Er fragt: "Welche Seilschaften verteilen hier die meist öffentlichen Mittel?" Und schreibt weiter: "Dass der Staat und öffentliche Einrichtungen allerdings derart einseitig in die Produktion von Literatur eingreifen, dass die Produktionsbedingungen zwischen den Autoren krass auseinander driften, ist durch nichts zu rechtfertigen."

Schulbeispiel . . .

Gut, zählen wir auf. Robert Menasse hat für seinen Roman "Die Vertreibung aus der Hölle" folgende Preise erhalten: Hölderlin-Preis, vergeben von der Stadt Mainz und der Hölderlin-Gesellschaft, Kaschnitz-Preis der Protestantischen Akademie Tutzing, Lion-Feuchtwanger-Preis der Berliner Akademie für Wissenschaft und Kunst, den von einer privaten Stiftung in Deutschland installierten Joseph-Breitbach-Preis und zuletzt den Erich-Fried-Preis, dessen Preisgeld sich zum Teil aus österreichischen Subventionen, zum Teil aus deutschen Geldern zusammensetzt und der von einem Gremium vergeben wird, dem der deutsche Schriftsteller und Kritiker Walter Jens vorsitzt.

Allein beim letztgenannten Preis hat unser Staat mitgezahlt. Michael Amon ist vielleicht der Einzige in Österreich, der glaubt, Robert Menasse habe in der gegenwärtigen Kulturadministration einen einflussreichen Fürsprecher (womöglich sogar Franz Morak persönlich?), der darauf bestanden hat, dass gerade er diese Auszeichnung erhält. Hinter den anderen Preisen eine von einem "sehr geschickten Netzwerker" dirigierte "Seilschaft" zu vermuten wäre paranoid. – Noch einen österreichischen Preis hat Menasse übrigens bekommen: den großen österreichischen Staatspreis – allerdings nicht für Literatur, sondern für Publizistik. Er hat das Preisgeld gestiftet, es bildete den Grundstock für den von ihm ins Leben gerufenen Jean-Améry-Preis für Essayistik.

. . . für Niedertracht

Mein Gott, wie muss das alles für jemanden klingen, der unter Literatur in erster Linie Buch und nicht Szene versteht! Aber weil wir es bei Amons Beitrag mit einem besonders perfiden Stück zu tun haben, bleibt mir, wenn ich meinen Freund verteidigen will, leider nichts anderes übrig, als eben in diese Details zu gehen. Sicher, man könnte über die Sache hinweggehen: Robert Menasse hat einen Roman geschrieben und ist dafür vielfach ausgezeichnet worden. Fertig. Michael Amons Artikel aber ist ein Schulbeispiel für Niedertracht, und wenn man auf so etwas nicht antwortet, macht man sich mitschuldig an der Verwahrlosung des Umgangstons.

Ein Exempel: Was tut der Niederträchtige, wenn er den, den er verächtlich machen will, mit einem anderen vergleichen möchte, von dem er glaubt, dass ihn alle verachten? Er sagt: Natürlich lässt sich Robert Menasse nicht mit Karl-Heinz Grasser vergleichen. Als ob diesen Vergleich außer Michael Amon je einer gezogen hätte. Immerhin hat er damit einen Ruch von Kriminalität (der Vergleich spielt ja auf vermutete Steuerhinterziehung an) über die Sache geblasen, hoffend, der Leser werde sich schon selbst den Reim darauf machen. Amon: "Ich finde Grassers Homepage-Finanzierung genauso unappetitlich wie diverse Geldvergaben im Kulturbereich."

Aber, lieber Michael Amon, Schulbeispiele haben es an sich, dass sie leicht durchschaut werden, darum heißen sie ja Schulbeispiele. Wenn Sie mit Ihrem Artikel auf den Applaus der Zu-kurz-Gekommenen spekuliert haben, werden Sie eine Enttäuschung erleben. Dem Neider bietet er keinen Trost, und der Missgünstige wird Ihre Polemik als misslungen, weil zu durchsichtig, empfinden. (DER STANARD, Printausgabe vom 1.12.2003)