Wien - Der Rückendeckung durch den Wiener Kulturstadtrat und die Magistratsbürokratie haben sich die drei Kuratoren versichert. Mit der Vergabe der ersten Projektförderungen für freie Theaterschaffende, deren Ergebnisse nunmehr postanhängig sind, wird aus dem Theaterstudienpapier der Herrschaften Anna Thier, Uwe Mattheiß und Günter Lackenbucher, drei auf Zeit bestellten, hauptamtlichen Fachleuten, auch so etwas wie reale Förderpolitik. 1,7 Millionen Euro gelangen bei dieser ersten Tranche zur Ausschüttung; als Stichtag der Einreichung firmierte der 30. September 2003. Schwerpunktsetzungen sind mit freiem Auge auszumachen: Das Hauptaugenmerk der Kuratoren richtet sich auf die auskömmliche Dotierung einiger - beileibe nicht aller. "Ganz oder gar nicht" lautet die zugrunde liegende Maxime: Statt Mangel zu verteilen, wird auf die Verwirklichung von ausreichend argumentierten Projekten verwiesen.

Oder, wie es Kurator Mattheiß ausdrückt: "Wir sind nicht die Stiftung Warentest, die irgendwelche ästhetischen Normen setzt. Auch lehnen wir einen Begriff wie ,Förderungswürdigkeit' schlichtweg ab." Jeder Anstrich von Obrigkeitlichkeit soll tunlichst vermieden werden. Gleichwohl lassen sich Vorlieben nicht von der Hand weisen. Mit 100.000 statt 36.000 Euro in der Tasche kann etwa Claudia Bosses theatercombinat an der Entwicklung prozessorientierter Spielformen feilen.

Weiter im Sprechtheater: Yosi Wanunus Gruppe toxic dreams lukriert 90.000 Euro, während etwa Eva Brenners Projekt Theater Studio im "Ranking" von 145.000 auf 80.000 Euro herunterfällt. Die koproduzierfreudige Gruppe theorema erhält 48.000, Karl Wozeks theater.wozek 40.000 Euro. Tina Leisch wird im Jugendstiltheater soziale Projektstudien betreiben (38.000 Euro), andere Gruppen wie die Formation theaterblau (38.000 Euro) suchen in ihrer Arbeit Berührungspunkte mit der Jugendkultur ("Rap-Attack"). Schlagworte der zum Ausdruck kommenden Schwerpunktsetzung: Gefördert werden bevorzugt Theaterformen, die eine Konfrontation in bis dato unbeachteten Segmenten der Lebenswelt suchen. Die ihre Arbeit unter dem Zeichen der "Prozesshaftigkeit" betreiben - und dem Experiment grundsätzlich zugeneigt sind.

Zahl der Abgewiesenen

So stehe ein Teil der abgewiesenen Förderwerber, so Mattheiß, vor dem Problem, die eigene Innovationskraft "institutionalisiert" zu haben, oder Formen des Stadttheaters gutgläubig zu kopieren. Im Ergebnis liest sich das wie folgt: Theatermacher wie Meret Barz, Dominik Castell, das Bernhard-Ensemble oder Thomas Jelinek gehen vorderhand leer aus. Szeneveteranen wie Aichhorns/Lipgens' WUT werden teilweise empfindlich zurückgestuft, Textmeditations-Künstler wie Anne Mertin und ihr Stadt Theater Wien müssen Federn lassen. Nicht viel anders das Bild bei Tanz und Musiktheater (bei grundsätzlicher Aufweichung der strengen Gattungsgrenzen): Ein impliziter Förderungsschwerpunkt eröffnet Jahresperspektiven für vier, fünf Choreografen - etwa Elio Gervasis Modernes Tanztheater (90.000 Euro), Willi Dorners Compagnie Salto (75.000 Euro), Saskia Hölblings Dans Kias (73.000 Euro) oder Bertl Gstettners Tanz*Hotel (60.000 Euro). Letzterer erhält allerdings 40.000 Euro weniger als zuletzt.

Allfälligen Nachfragen wollen die Kuratoren "individuell Rede und Antwort" stehen. Noch wird auf die zweite Einreichungstranche verwiesen. Indes rast die Zeit dahin: Bereits im Herbst müssten erste Vorentscheidungen darüber fallen, in welchem "Stadtentwicklungsgebiet" ein neues Kooperationshaus eingerichtet wird. Im Herbst 2005 sollen koproduzierende Spielstätten die Arbeit aufnehmen.

Der Mittelbühnenlandschaft droht damit eine Umwälzung noch unbekannten Ausmaßes. Mattheiß: "Es braucht zumindest einen neuen Spielort mit 300 Plätzen. Nur so wäre man mit Koproduzenten wie dem Hebbel-Theater oder der Gessnerallee kompatibel." (poh/DER STANDARD, Printausgabe, 21.1.2004)