Vorher und nach drei Monaten: im Pulk im dicht bewachsenen Weingarten unterwegs.

Foto: Stift Klosterneuburg

Weingartenchef Markus Schodl mit Macy, der prächtigen Leithenne.

Foto: Stift Klosterneuburg

Schön waren sie nicht anzusehen Ende Juni, kurz nachdem sie von der Legebatterie in den Weingarten übersiedelt wurden: Von Federkleid konnte man angesichts der nackten Hühnerhintern mit den mickrigen Federbüscheln nicht wirklich reden. Und weil ihnen die Sonne nicht geheuer war, wagten sie sich kaum aus dem Stall, sondern steckten ihre Köpfe lieber in alle halbwegs dunklen Ecken, die sie finden konnten.

Heute sind die 30 Hennen nicht mehr wiederzuerkennen. "Anfangs konnten wir sie an den Kahlstellen unterscheiden und haben allen Namen gegeben", erzählt Wolfgang Hamm, Geschäftsführer des Weinguts. Aber außer Macy, die sich von Beginn an durch ungewöhnlichen Mut hervorgetan hat und so zur Leithenne wurde, sind die anderen wieder in die Anonymität abgeglitten, weil sie sich in vollständiger "Bekleidung" doch ziemlich ähnlich sehen.

Schonend und ohne Maschineneinsatz

Auf der Suche nach naturnahen Methoden der Weingartenbearbeitung und um die Pflanzenvielfalt in der Monokultur Wein zu fördern, kommt man wieder auf Alterprobtes zurück, das heute wieder als innovativ gilt. Hamm und Markus Schodl, Weingartenleiter, überlegten, wie die steilen Terrassen des Riesling-Weingartens in der Lage Steinriegel möglichst schonend und ohne Maschineneinsatz zu bearbeiten seien. Schodl erinnerte sich an einen Versuch mit Hühnern an der Fachhochschule Geisenheimim Rheingau (wo er Önologie studiert hatte), den er fürs Stift Klosterneuburg adaptierte.

Die Begrünung zwischen den Rebzeilen ist ein wichtiges Regulativ für Wasserhaushalt und Bodengesundheit. Um sie zu steuern, werden in allerschlimmsten Fällen noch Herbizide eingesetzt oder die Weingärten mechanisch mit schweren Stockräumgeräten und Bodenbearbeitungsmaschinen freigeräumt.

Am Stift übernehmen seit heuer die Hennen diese Aufgabe. In der Legebatterie wären sie "ausgeräumt" worden, da sie in die Legepause kamen. Im Weingarten sind ihre Fähigkeiten zu scharren und zu picken hochwillkommen. Und das machen sie auch genau dort, wo es notwendig ist. "Hühner mögen vielleicht nicht die Intelligentesten sein", erzählt Hamm, "sie sind aber äußerst lernfähig." So hätten sie das System der sich per Zeitschaltuhr morgens öffnenden und abends schließenden Hühnerstalltüre voll durchschaut und folgen Macy brav in den schützenden Stall. Beschleunigt wurde der Lernprozess durch eine Gewitternacht im Freien und durch eine Henne, die Opfer eines Fuchses wurde, erzählen Hamm und Schodl, die sich selbst auch mit "jeder Menge Hendl-Literatur - aber keine Kochbücher!" weitergebildet haben.

Gesucht: ein Hahn

Das Ergebnis ist so erfreulich, dass der Versuch nächstes Jahr weiter verfeinert wird. Gesucht wird nach einem Hahn, der das Sozialgefüge im streng hierarchischen Hühnerhof festigen soll. Als Leitvogel erfüllt er auch eine Schutzfunktion, warnt z. B. vor Raubvögeln oder stellt sich Fuchs und Marder entgegen. Und da die Hennen nach der Legepause wieder in die normale Eierproduktion einsteigen, werden richtige Nestanlagen gebaut.

Als Nächstes wird die Überwinterung geklärt: ob es ausreicht, den Stall in Styropor einzupacken, oder ob sie für die kalte Jahreszeit in festere Behausungen übersiedelt werden müssen. Behalten wird man die erprobte Truppe in jedem Fall: Denn auch etwaige Neuankömmlinge werden von den Althühnern rasch lernen. (Luzia Schrampf/Der Standard/rondo/24/10/2008)