Drei Mann und eine Vorspeise: Im "Melograno" der amilie d'Atri herrscht kein Mangel an Personal, das eilfertig um die gut gepolsterten Gäste scharwenzelt.

Foto: Heribert Corn
Foto: Heribert Corn

Irgendwie schade, einen der ganz wenigen Holzöfen der Innenstadt abzureißen, nur um eine weitere Topküche einzubauen und fortan brav auf dem letzten Stand zu kochen wie die anderen auch - noch dazu, wo Konzessionen für solche Kochstellen seit Jahren prohibitiv gehandhabt werden. Dass es noch dazu die außerordentlichen Gastronomen der Familie d'Atri waren, die dem Ofen im "al Cavallino" zu Leibe rückten, wundert doppelt - man darf gar nicht daran denken, was ein Kaliber wie Nicola d'Atri (von der gleichnamigen Osteria in der Schauflergasse) für magische Speisen an einem Holzofen geschmurgelt, gegrillt und gebacken hätte. Nicht umsonst ist etwa das River Café in London jener Ort, an dem das beglückendste italienische Essen diesseits der Alpen fabriziert wird - an einem Holzofen.

Aber was soll's: Wien darf nun einmal nicht mit einer Weltstadt verglichen werden. So wurde das "al Cavallino" zu einen braven Nobelitaliener namens "il Melograno". Wie im ersten Lokal, der nahen Osteria d'Atri, präsentiert die Familie auch hier sorgfältig ausgeführte, in der apulischen Heimat wurzelnde Edelküche. Mittels hohem Scharwenzel-Aufwand werden hier wie da gutgepolsterte Spesenesser, Ministerialräte und andere Strukturkonservative umsorgt. Das neue Lokal ist etwas größer als die winzige Osteria, Fleisch statt Fisch soll hier im Zentrum stehen - und, so Nicola d'Atri, "bald auch Innereien wie Nieren oder Bries".

Chateaubriand im Salzteig

Natürlich darf man sich auch hier auf das heftige Italianisieren der Servicemannschaft und die Pfeffermühle in der Größe eines Baseballschlägers freuen, auf das köstliche, selbstgebackene Brot aus Hartweizengrieß, die gutgewählten süditalienischen Weine (Greco di Tufo von Feudi di San Gregorio!) und D.O.P.-Delikatessen, die die Familie selbst importiert - würziger Prosciutto aus San Leo, oberssatte, buttersüße Original-Burrata aus Andria, Lardo aus Colonnata ...

Carpaccio mit feingehobelten, rohen Steinpilzen ist eine gelungene Variation des altbekannten Antipastos, nur mit dem Saft der sizilianischen Zitrone wird gar großzügig umgegangen - schade um die Pilze. Orecchiette mit Artischocken und Lardo werden nach Art einer Carbonara mit Eigelb zu samtener Cremigkeit gebunden und mit Pecorino abgemischt - ganz herausragend, wirklich gute Pasta. Fisch gibt es auch, der Service lenkt einen aber durchaus bestimmt in Richtung Fleisch (Speisekarte bekommt man bei den d'Atris ohnehin erst auf Nachfrage - "die haben wir nur pro forma").

Also Chateaubriand im Salzteig für zwei bis drei Personen: ein prachtvoller Brocken vom Filet, erst scharf angebraten, dann im Teig medium rare gebacken, schließlich mit ordentlich Brimborium bei Tisch aus dem Mantel befördert, tranchiert und mit allerhand Ölen, Sößchen und frisch gemörsertem Pfeffer-Pesto serviert. Köstlich - nur das dazu servierte, bunte Röstgemüse würden echte Italiener dem Service so was von um die Ohren hauen. Ach ja: Panna cotta, unbedingt! (Severin Corti/Der Standard/rondo/07/11/2008)