Der prächtige Gewölbesaal des Schüttkastens wurde wisch-und-weg-freundlich renoviert.

Foto: M. Corti

Beim Essen ist die lenkende Hand Jörg Wörthers durchaus bemerkbar.

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Offiziell wird Geras, eine hoch im Waldviertel gelegene Gemeinde, als Stadt geführt. Für den unbedarften Besucher stellt sich der Ort in der Hauptsache als große Barock-Kirche samt Nebengebäuden und einigen Karpfenteichen dar, rundherum darf sich ein Dorf in den Schatten des Stiftes ducken. In dieser entrischen Gegend, konkret im Schüttkasten des Stiftes, wurde unlängst ein Viersternehotel eröffnet, in dem allerhand Seminare (Töpfern, Malen, Blattvergolden etc.) angeboten werden.

Für Schlagzeilen sorgte aber die Küche, die unter der Patronanz von Jörg Wörther steht. So was sorgt unter Edel-Essern für Aufmerksamkeit, schließlich galt Wörther in seiner aktiven Zeit als Küchenchef ziemlich unumstritten als einziger Austro-Koch von Weltrang. Wörther selbst ist bemüht, die Erwartungen ans neue Projekt denkbar niedrig zu halten: Er selbst werde "maximal" einmal im Monat in Geras am Herd stehen und bemühe sich nur, ein stimmiges Konzept auf die Beine zu stellen, das die Produkte der Gegend entsprechend präsentiert. Im Idealfall würde das in eine Form münden, wie sie ihm beim Salzburger "Winterstellgut" seines vormaligen Arbeitgebers Dietrich Mateschitz gelungen sei. Während der prächtige Gewölbesaal des einstigen Getreidekastens durch die Ausstattung mit wisch-und-weg-freundlicher Gastro-Möblage nicht unbedingt gewonnen hat, zeigt die Küche durchaus Profil - vor allem im Vergleich zu dem, was im hintersten Waldviertel sonst zu holen ist. Saibling wird mit Zitrusaromen gebeizt und in dünnen Scheiben über lauwarme, rahmig marinierte Ofenerdäpfel drapiert - sehr gut. Auch die geräucherte Gänsebrust ist mit einem Tartelette aus Topinambur und Birnen ebenso stimmig wie gekonnt kombiniert, bloß die altbackene Balsamico-Malerei am Teller ließe dem Puristen Wörther wohl auch die Grausbirnen aufsteigen. Vergleichsweise mau dagegen der gedämpfte Seesaibling: Bis zur Trockenheit durchgegart, auf pampiger Erbsensauce und mit Spargelravioli serviert, bei denen das Frühlingsgemüse nur dem Namen nach enthalten zu sein schien. Dafür überzeugte das saftig gebratene Schweinskarree mit Paprikakkraut, Erdäpfelknödeln der besonders flaumigen Art und einem dichten, ordentlich knofeligen Natursaftl: So schmeckt das Waldviertel! (Severin Corti/Der Standard/rondo/05/06/2009)