Ob ein Wiener Wirtshaus wie dieses durch Verzicht auf Olivenbäumchen-Deko nicht gewinnen würde? War ja nur eine Frage.

Foto: Gerhard Wasserbauer
Foto: Gerhard Wasserbauer

Weit draußen, am höchsten Punkt der Stammersdorfer Kellergasse, geht links ein kleiner Hohlweg ab, in dem sich weitere Keller und der eine oder andere Heurige aneinanderreihen. Irgendwann ist es damit auch vorbei, dann gibt es nur noch Wald und Felder. Wenn nicht am Anfang ein zerleppertes Schild das "Heurigenrestaurant Magdalenenhof - Warme Speisen, Heurigenbuffet, Bier vom Faß" ankündigte - nie würde man ahnen, dass am Ende des Weges die neue Wirkungstätte von Reinhard Gerer wartet.

Der legendäre Koch und jahrzehntelange Korso-Küchenchef hat tatsächlich den Sprung in die Selbstständigkeit und sein Versprechen wahrgemacht, ein eigenes, "richtiges Wirtshaus" aufzumachen. Das weckt natürlich Erwartungen. Schließlich ist Gerer für Beuschel und Bruckfleisch noch viel berühmter als für seine dezidiert luxuriösen Geniestreiche. Wenn er sich nun auf Geschmortes und Gebackenes, auf Sulz und Gulasch, auf Blunzengröstl und Schweinsbraten konzentriert, so die Hoffnung, dann kann da nur etwas Wunderbares entstehen.

Sogar in dieser abgelegenen Wirtschaft, die zu einem Gutshof der Stadt Wien gehört. Die Stadt verpachtet das Lokal an Gerer und dessen Partnerin Natalie Jelesitz. Hauptspeisen kosten zwischen acht und achtzehn Euro - kein Wunder, dass jetzt alle Gerer schauen und kosten kommen. Reservierung ist Pflicht, und zwar durchgehend: An einem Donnerstagnachmittag aufs Geratewohl vorbeizuschauen wird durch stundenlanges Spazierengehen geahndet, bevor man, mit Glück, doch etwas zu essen kriegt.

Tisch für den Bürgermeister

An Wochenenden ist von Mittag bis Dienstschluss ausreserviert, nur ein Tisch für den Bürgermeister muss angeblich immer freibleiben - Pachtherr müsste man sein. Der Service kommt dann trotz (oder wegen?) reichlich vorhandener, verschreckter Lehrlinge ziemlich katastrophal ins Schlingern.

Das Interieur verheimlicht die Vergangenheit als charmefreie Ausflugsstation mit Fliesenboden und pflegeleichtem Rustikaldekor nur oberflächlich, dafür kann man in die offene Küche speanzeln, wo (vom Meister abwärts) rege und konzentriert geschwitzt und hantiert wird - ein ungemein vertrauensbildender Anblick. Im Garten sitzt man angenehm, da wurde eine mächtige Terrasse ans Haus gezimmert. Ob statt der vielen Olivenbäumchen nicht doch ein paar (dringend benötigte) Sonnenschirme mehr angeschafft werden hätten sollen, lässt sich klar beantworten: Ja. Die Lage am Rande einer großen, sonnigen Waldwiese ist dessen ungeachtet zauberhaft, Kinderspielplatz und Fußballacker sind vorhanden, die braucht es auch: Bis das Essen kommt, dauert es, die bestellten Getränke werden nach langem Warten prompt am Nebentisch abgeladen. Äh.

Dagegen macht sich das Essen viel besser. Wer mit einem kleinen Gulasch beginnt, kann sich sogar auf ein richtiges Glückserlebnis einstellen: Aus so einem Saft macht man Träume, so eine Fleischkonsistenz hat man schlicht noch nicht erlebt. Steirisches Ritschert kommt bar allen Dekors als blattlvoller Suppenteller zu Tisch, sieht dementsprechend aus wie frisch aus der Feldküche geschöpft. Für solch vollen Geschmack und Biss lässt man aber jedes Risotto stehen. Der Schweinsbraten glänzt vor allem mit großartigem Apfel-Sauerkraut. Das Fleisch (Schopf und damit ohne Krustel) ist hoher Wirtshausstandard, nicht mehr. Knödel werden kurz in Butter und Kräutern geschwenkt, das kann ihre lasche, geradezu breiige Konsistenz aber nicht maskieren. Enttäuschend auch das Blunzengröstl, ein wenig einladender, dunkel feuchter Haufen, nur symbolisch mit Kren beflockt und einzig durch das dazu servierte Kraut erfreulich. Auf einen Teil seiner Küchen-Wunschmannschaft muss Gerer noch ein paar Wochen warten, dann, so verspricht er, werden solche Patzer ausgemerzt sein. Bis das Service sich eingespielt hat, wird es noch etwas länger dauern. Trotzdem: Für so ein Gulasch darf man als Gast schon ein bisschen leiden. (Severin Corti/Der Standard/rondo/04/09/2009)