"Innovator", "Ramos", "Magnum" oder "Zorba": Die Namen auf den Schildern, die in einer Furche des Ackers stecken, erinnern eher an Gladiatoren als an einfache Erdknollen. Obwohl: Es sind nicht irgendwelche Erdäpfel, die auf der Farm von Aard Robaard, unweit von Lelystad in den Niederlanden, gedeihen. Sie wurden zusammen mit einer Reihe anderer Sorten auserkoren, um sich als Kandidaten für die nächste Generation von Pommes-frites-Rohmaterial zu behaupten. Ihre perfekt getrimmten Nachkommen könnten eines Tages massenweise angebaut und an die nahe Fritten-Fabrik geliefert werden - wo sie nach einer eineinhalbstündigen Prozedur in einem Tiefkühlsackerl und in der Folge in Fritteusen und Backöfen rund um den Globus landen.

Aber vorerst messen Sensoren auf dem Versuchsfeld Niederschlag, Temperatur und Feuchtigkeit, von der Oberfläche bis zu den Wurzeln. Aard Robaard vergleicht, wie sich die Aardappelen (so heißen die Erdäpfel auf Niederländisch) entwickeln, unter welchen Bedingungen sie sich am wohlsten fühlen, was ihnen Schädlinge anhaben. Er überlegt sich, wie er Chemikalien, Wasser und Energie sparen, den Boden schonen könnte. Das Wissen gibt er an andere Bauern weiter - und an den kanadischen Tiefkühlriesen McCain, der in Lelystad eines von sieben europäischen Werken betreibt.

Erdäpfel-Casting

Das Erdäpfel-Casting ist beinhart. Von 100 Testsorten bleiben nur ein bis zwei übrig. Zehn Jahre kann die Entwicklung von neuen Kreuzungen dauern. Insgesamt wird nur etwa ein Dutzend Sorten an die Vertragsbauern ausgeliefert - mitsamt einer genauen Anleitung, wie sie gezogen, behandelt und gelagert werden müssen. Die Fritten-Industrie bevorzugt große und längliche Knollen, die eine satte gelbe Farbe haben, damit sie im heißen Fett goldbraun und nicht etwa grau werden. Ein hoher Stärkegehalt verhindert, dass die Pommes durch das Verdampfen von Wasser zu stark einfallen.

Hier am Polder in Flevoland, fünf Meter unter dem Meeresspiegel, reichen die Äcker bis zum Horizont. In der fruchtbaren Erde finden sich noch immer Muschelsplitter, erzählt Aard Robaard. 1957 wurde das flache Land dem Meer abgerungen. Der Wind schneidet scharf über die Ebene, Hundertschaften an Windrädern fangen ihn auf. Nicht weit von Robaards Hof fahren reihenweise Lkws voller erdiger Ware in das McCain-Firmengelände ein. Auf der anderen Seite kommen stündlich 25 Tonnen tiefgefrorene Pommes heraus. Rund um die Uhr.

Dazwischen rattert es und zischt es und brummt, so laut, dass man sein eigenes Wort nicht versteht. Dampfwolken steigen auf, einmal riecht es beißend, dann wieder angebrannt. Nachdem die Erdäpfel stichprobenartig auf ihre Qualität geprüft werden, kullern sie aufs Fließband. In einem Wasserbad sinken erst einmal Steine ab, dann werden die Knollen im heißen Dampf ihrer Schale entledigt. Was noch haften bleibt und was sonst nicht schön aussieht, schneiden Mitarbeiter mit Mundschutz und Spitalskluft händisch weg.

Waschen, schneiden, föhnen

Nach der Rundumwäsche werden die Erdäpfel je nach Größe auf eines von acht Bändern verfrachtet. Mit etwa 60 Stundenkilometern steuern sie auf messerscharfe Gitter zu - und werden so in Frittenform gebracht. Anschließend scannen Kameras die Fließbänder. Finden sie dunkle Stellen, wird das jeweilige Pommes aussortiert und der betreffende Teil automatisch weggehackt. Wieder zu einem breiten gelben Fluss vereinigt, durchlaufen die Pommes ein dreistufiges Trockenprogramm, um später richtig knackig zu bleiben. Außerdem reduziert sich so die Aufnahmefähigkeit für das Gemisch aus Palm- und Sonnenblumenöl, in dem sie anschließend vorfrittiert werden. Bevor es in den Gefriertunnel geht, wird noch überschüssiges Öl abgesaugt. Die gefrorenen Fritten flutschen dann direkt in die richtige Verpackung - und fertig sind die Tiefkühlpommes.

Es werde ständig an neuen Methoden geforscht, um Fett- und Salzgehalt weiter zu reduzieren, betont man bei McCain. Der Hersteller produziert nach eigenen Angaben jede dritte Fritte, die weltweit verzehrt wird. Letztlich komme es auf die Zubereitung an, wie gesund oder ungesund der ursprünglich aus Belgien stammende Snack ist: am besten im Backofen, heißt es, und wenn schon in der Fritteuse, dann in möglichst transfettarmen Ölen und mit der richtigen Temperatur - nicht zu dunkel und nicht zu hell ausgebacken. Die Bio-Pommes in kompostierbaren Beuteln, die McCain etwa in den Niederlanden und in Deutschland vertreibt, haben es allerdings noch nicht in die heimischen Tiefkühltruhen geschafft. Möglich, dass sich die für den Massenanbau perfekte Bio-Knolle erst in den Versuchsfeldarenen behaupten muss. (Karin Krichmayr/Der Standard/rondo/15/10/2010)