Verena und Francesco Euticchio, mit Pitta di alici und Zwiebelfrittata.

Foto: eh schon wissen

Ein Exemplar der Zwiebelfrittata, dahinter ein Töpfchen mit Nduja.

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Für den tropeanischen Menschen das Lebensmittel in allen Lebenslagen: la cipolla rossa di Tropea.

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Das Häuschen über dem Meer von Tropea ist reserviert, und wenn es im Juni den Gaddafi von der anderen Seite des Mittelmeers an meine Türschwelle spülen sollte, dann schau ich einfach weg. (Einwurf: In einem Produkt wie dem RONDO, das ein paar Tage vor seinem Erscheinen gedruckt wird, heutzutage so einen Satz zu schreiben, ist gefährlich: Vielleicht ist er ja heute, Freitag, schon angespült, inshallah ... Einwurf Ende.) Aber weil es bis zu meiner eigenen Flucht nach Kalabrien noch ein Vierteljahr hin ist, habe ich bei Verena und Francesco Euticchio angeklopft und gesagt: "Voglio una pasta! Basta."

Mich kränkt ein wenig, dass diese Pasta, nämlich Fileja mit der notorischen Nduja - kalabresischer geht es gar nicht - nicht oben im Bild vorkommt, aber unser Layouter Armin entschied sich angesichts der Flut von wunderbaren Fotos für eine minimalistische Lösung (hehe, mir wurde hinterbracht, was er über meine Fotos wirklich gesagt hat ...).

Macht nichts, dafür sehen wir die Euticchios im Bild, die im dritten Wiener Bezirk, in der Ungargasse 55, das Geschäft Bubbacco mit kalabrischen (und anderen italienischen) Produkten betreiben. Dort dürfen sie aber nicht kochen, weshalb dieser Artikel nur eine halberte Schleichwerbung ist, außerdem kann man ja nichts dafür, wenn man mit Leuten bekannt ist, die solche Läden haben.

Nur eine Vorspeise für verwöhnte Geschöpfe

Aber die Bilder lügen nicht, denn vor den Fileja wurde ich noch mit zweierlei Urkalabrischem bekocht: Es gab eine Frittata mit roten Zwiebeln aus Tropea und eine Pitta di alici, eine in der Pfanne herausgebackene Flade (nein, jetzt verbreite ich mich nicht über die Etymologie von Pide/Pitta/Pizza), mit kleinen frischen Sardellen. Francesco alias Bubbacco - dazu später - machte für mich, no na, von Letzterem die Luxusvariante, mit etwa gleich viel Fisch (30 bis 40 Deka) wie Brot: Weißbrot (mit Rinde), das eine Viertelstunde eingeweicht und danach ausgedrückt wird, dazu kommen die geputzten Sardellenfilets, zehn Deka Pecorino (da geht selbstverständlich nur der bei Bubbacco gekaufte kalabrische), Petersilie, Knoblauch und, wenn man will, auch die wunderbaren kleinen Kapern aus der Region. Das Gemisch zehn Minuten rasten lassen, wenig Öl in die Pfanne, am Anfang soll es recht heiß sein, bald, nachdem die Masse hineinkommt, herunterschalten. Mithilfe eines Tellers wenden, insgesamt so zehn Minuten herausbacken.

Genauso wie die Pitta ist auch die Frittata nicht nur eine Vorspeise für verwöhnte Geschöpfe, sondern eine veritable Hauptspeise. Mit einem ordentlichen Salat, was will man mehr! Für die Frittata werden zwei große rote Zwiebeln in Scheiben geschnitten und - das ist anders als erwartet - in der Pfanne etwas in heißem Wasser und etwas Weißwein gedünstet. Wenn die Flüssigkeit verdampft ist, kommen das Olivenöl und vier verschlagene Eier hinein sowie Salz und Pecorino.

Diese Fritatta lässt sich beim Essen auch trefflich mit Zwiebelmarmelade bestreichen, aber auch mit Nduja, so wie man, hört man Francesco zu, Nduja (und rote Zwiebel) ja in allen Lebenslagen zu allem essen kann, vielleicht außer zur Sachertorte, aber ausschließen würde ich auch das nicht. In einer richtigen Nduja, der dicken weichen kalabrischen Wurst, die man auch erhitzt isst, ist Schweinefleisch, Peperoncino, Salz und sonst nichts drin. Die D. O. C. Nduja kommt aus dem Dorf Spilinga (das ich bis zum Abend bei den Euticchios falsch betont habe, es heißt nämlich Spílinga, nicht Spilínga (und in Spilinga selbst kriegt übrigens das Jott in der Nduja eine stimmhafte Note, wie in "Jeanne"). Meine Nduja voriges Jahr stammte von der einzigen Haussau meiner Gemüsefrau in Santa Domenica und war biologisch gefüttert, was mich, die Gemüsefrau und hoffentlich auch die Haussau sehr begeisterte.

"Terremoto" und "Tempesta" hauen sich Nduja hinter die Binde, äh, das Patterl, dass allen nicht kalabrisch-genetisch belasteten Gleichaltrigen die Augen aus den Höhlen treten würden: Denn Nduja ist sauscharf, und Terremoto und Tempesta sind die Euticchio-Sprösslinge Elias (2) und Daniel (4), in Tropea auch bekannt als "Bubbaccheo", die Kinder vom Bubbacco. Und Bubbacco wiederum heißt so, weil sich in kalabrischen Familien die im Clan gängigen Namen so oft wiederholen (jeder Francesco hat fünf Cousins, die Francesco heißen ...), sodass Spitznamen her müssen, aber oft auch einfach andere Rufnamen: So gibt es in der Familie eine Evelina Gerufene, die in Wahrheit Caterina heißt.

Er will mit, und sie will ohne

Verena Euticchio klingt ja übrigens ganz authentisch - stammt aber aus einer Familie aus Heidenreichstein im Waldviertel. Der Bubbacco war so etwas wie eine Jugendliebe, die sie nach einem längeren Intermezzo vor sechs Jahren wiedergefunden hat. Das mit dem Oregano im Nduja-Sugo haben sie aber trotz zweier Nachkommen noch nicht endgültig geklärt: Er will mit, und sie will ohne. Wobei dieser Oregano halt auch nicht irgendeiner ist, sondern aus den kalabrischen Hügeln stammt.

Also, die roten Zwiebeln wie gehabt in Wasser andünsten, Olivenöl, dann frische Paradeiser, zwei, drei Minuten den Deckel drauf und dann ein schönes Trumm Nduja hinein und auflösen lassen. Oregano oder kein Oregano, Pecorino, und dann den Sugo mit den Fileja - das sind die um einen Draht/eine Stricknadel gedrehten typischen kalabresischen Nudeln - vermischen. Das Fileja-Kochen dauert länger als der Sugo.

Bei der Diskussion um den Sugo wurde auch die ab jetzt so geheißene Kalabrien-Doktrin verkündet, die von der Mamma stammt und so lautet: entweder Zwiebeln oder Knoblauch, aber niemals gemeinsam! Das gilt auch für andere Gerichte, und wenn die Mamma das sagt, dann gilt das und basta und nicht zurückreden, per favore. (Gudrun Harrer/Der Standard/rondo/25/02/2011)