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Nippon-Ya, Faulmanngasse 5, 1040 Wien, Tel.: 01/586 10 84

Foto: Patrick Robert / Sygma / Corbis

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Erdbebenopfer und Einsatzkräfte in Japan werden mit Fertignudelsuppe aus dem Styroporbecher verköstigt.

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"Natürlich sind Cup-Nudeln nicht das Gesündeste, was man essen kann, aber als solches waren sie ja auch nicht geplant", sagt Ayumi Kondo, die Betreiberin des japanischen Supermarkts Nippon-Ya in Wien-Wieden. Nein, als gesundes Essen waren die praktischen Instant-Nudeln im Becher nicht geplant. Vielmehr hat sie ihr Erfinder, der 2007 verstorbene Momofuku Ando, als schnellen, kostengünstigen Imbiss erdacht, für dessen Zubereitung es nichts weiter braucht als eine Ladung kochendes Wasser und drei Minuten Zeit.

Abgesehen davon, dass die Bechersuppen trotz ihres hohen Salz- und niedrigen Vitamingehalts heimischem und sonstigem Schnell-Food ernährungstechnisch immer noch haushoch überlegen sind, wäre jetzt wohl der denkbar schlechteste Zeitpunkt, sie wegen ihrer Nahrhaftigkeit zu kritisieren. Denn für viele der hunderttausenden japanischen Erdbebenopfer erfüllen die Cup-Nudeln nun schon seit vielen Wochen eine oft lebensrettende Funktion. Die gegenwärtige Lebensmittelknappheit weckt bei älteren Leuten die Erinnerung an die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, als viele Japaner damit begannen, aus Hunger Walfleisch zu essen. Doch Japans Walfangflotte ist derzeit stillgelegt und ihr Flaggschiff, die Nisshin Maru, damit beschäftigt, tonnenweise Hilfsgüter in die Krisenregion zu verschiffen - darunter ganze Containerladungen Cup-Nudeln.

World Instant Noodles Association

Als Notnahrung für Überlebende von Erdbeben haben sich die Fertigsuppen schon früher bewährt. 2010 fand in Kuala Lumpur ein Treffen der World Instant Noodles Association statt, bei dem Koki Ando, der Sohn des Erfinders und dessen Nachfolger an der Spitze von Nissin Foods, des größten Packerlnudelsuppenproduzenten der Welt, angab, dass in den zwei Jahren davor 1,8 Millionen Becher in die verschiedensten Katastrophengebiete rund um den Erdball geliefert wurden, etwa in Erdbebenzonen im indonesischen Padang, ins chinesische Sichuan oder nach Haiti.

Der Vorteil der Fertigsuppen liegt nicht nur in ihrer Konvenienz, sondern auch darin, dass sie im Unterschied zu vielen anderen Hilfsgütern kaum auf kulturelle Ablehnung stoßen und somit ihren Zweck nur selten verfehlen. Denn in fast allen Kulturen dieser Welt gilt Nudelsuppe als willkommene und wärmende Kraftnahrung. Dessen scheint sich auch Cup-Nudel-Erfinder Momofuku Ando bewusst gewesen zu sein, wie er in seiner 2002 erschienen Autobiografie festhielt: "Durch die Verwendung von Hühnerbrühe konnten wir einige religiöse Tabus umgehen und unsere Suppen in zahlreichen Ländern einführen. Es gibt Hindus, die kein Rind- und Moslems, die kein Schweinefleisch essen, aber es gibt keine einzige Kultur oder Religion, die Hühnerfleisch verbietet".

Die Idee zu den Fertignudeln kam Momofuku Ando in den Jahren nach dem Krieg, als große Mengen Weizenmehl aus Amerika den japanischen Markt überfluteten. In seiner Autobiografie ist zu lesen, wie er damals an Schlangen frierender Menschen vorbeikam, die sich stundenlang für die Ramen genannte Nudelsuppe anstellten, und er sich dabei überlegte, dass es doch möglich sein müsste, deren Zubereitung zu vereinfachen.

100 Millionen Portionen täglich

Es war die Geburtsstunde der Fertignudelsuppe. Doch sollte es noch bis ins Jahr 1958 dauern, bis Herrn Ando, von einer Amerikareise zurückgekehrt, der Einfall kam, die Suppen in Schaumstoffbecher zu füllen, wodurch sich die Verwendung von Geschirr erübrigte. Von nun an war der Erfolg der eingebecherten Fertigsuppe, die laut World Instant Noodles Association heute von 100 Millionen Menschen täglich gegessen wird, nicht mehr zu bremsen.

Gleichzeitig wurde dadurch die ursprünglich aus China stammende japanische Nationalspeise Ramen zum globalen Covenience-Gericht, dessen weltweiter Erfolg nur mit jenem der Pizza oder des Hamburgers vergleichbar ist. "Lokale, die frischen Ramen servieren, gibt es bei uns wie Sand am Meer. Für Japaner sind sie so wie der Würstelstand für die Wiener", sagt die Supermarktbetreiberin Ayumi Kondo, "Ramen wird meistens auf der Straße gegessen, spätnachts, nach dem Kino oder Konzert, und ist aus der japanischen Kultur einfach nicht wegzudenken." Den Erfolg des Fertigramen hingegen führt sie darauf zurück, dass auch die jungen Japaner immer weniger kochen wollten und obendrein der geringe Zeit-, Arbeits- und Preisaufwand für eine derartig sättigende und wärmende Nahrung einfach zu verlockend sei, was Millionen Studenten auf der ganzen Welt sicher bestätigen würden.

In der Berichterstattung über die Essgewohnheiten der Japaner geht es häufig darum, welche Unsummen sie auszugeben bereit sind, um exotische oder gefährdete Meerestiere zu verspeisen. Auch sonst werden derzeit etliche Klischees das Land und seine Bewohner betreffend bemüht, von denen es immer wieder heißt, wie geradezu unheimlich diszipliniert sie reagierten und wie fremd ihnen die westliche Erregungskultur ganz grundsätzlich sei. Doch nach wie vor ist es sehr kalt im Norden Japans; im Erdbebengebiet fällt immer wieder Schnee. Dass eine heiße Suppe da extrem wohltuend auf Körper und Seele wirkt, selbst wenn es ein Billigprodukt aus dem Becher ist: Zumindest das kann wohl universell jedermann nachvollziehen.

Ayumi Kondo und zahlreiche weitere japanische Restaurants und Firmen in Wien haben Spendenboxen aufgestellt, um das japanische Rote Kreuz bei der Versorgung der Erdbebenopfer zu unterstützen. Cup-Nudeln hat Frau Kondo übrigens auch im Angebot. (Georg Desrues/Der Standard/rondo/01/04/2011)