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Torten fliegen, Sitzungen werden gestürmt, Säle besetzt: Mit den neuen Organisationsplänen sollen die Strukturen der Universitäten total umgebaut werden. Man fürchtet um die Demokratie an den Hochschulen. Hinter dem Protest steckt Groll gegen das neue Uni-Gesetz.

Karikatur: Oliver Schopf
Die Universität sei allgemein "das dreckigste Pflaster", gibt Philipp Funovits, ÖH-Vorsitzender an der Uni Graz, eine deftige Zustandsbeschreibung - betont aber auch, dass an seiner Universität alles im Lot sei und der neue Organisationsplan kaum für Turbulenzen gesorgt hat. An der TU Graz ist man froh, dass man nicht "in der Situation der Uni Wien" ist, zeigt sich aber trotzdem alles andere als zufrieden.

In Wien eskalierte die Situation, als Rektor Georg Winckler mit einer Topfentorte beworfen wurde. Momentan herrscht Funkstille zwischen Rektorat und ÖH. Winckler solle "ein bisschen braten", erklärt Vera Schwarz, Studentin im Senat, dem UNISTANDARD dazu. Der Vorsitzende des Universitätslehrerverbands Uni Wien, Leopold Jirovetz, beklagt den mangelnden Informationsfluss. Rektor Winckler selbst zeigt sich für die Zukunft versöhnlich und gesprächsbereit.

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Wien/Graz/Linz/Salzburg/Klagenfurt - Wenn unser Rektor ähnliche Dinge tun und sagen würde wie Winckler, oder so handeln würde, dann würde ich ihm auch eine Torte ins Gesicht schmeißen", versichert der Vorsitzende der ÖH Uni Graz, Philipp Funovits von der Fachschaftsliste. Allerdings bestehe diese Gefahr nicht, denn Rektor Alfred Gutschelhofer nehme die Studierenden ernst, höre zu und verhandle auch, anstatt nur mit ihnen zu sprechen. Trotzdem: "Rein politisch gesehen ist die Universität das gehässigste, gemeinste und dreckigste Pflaster. Die Leute sind schlau, ungemein erfindungsreich und bösartig."

Die neue Revolte

Plötzlich ging es Schlag auf Schlag. War nach den Protesten gegen die Studiengebühren und das Universitätsgesetz (UG) 2002 erst einmal Ruhe, melden sich die Studierenden seit Herbst bundesweit wieder lauthals zu Wort und Tat: Es wurde demonstriert, gesungen, umzingelt, Grabkreuze wurden installiert und einiges mehr. Im Rahmen von Hörerversammlungen klärte man auf: Das UG 2002 war noch nicht alles - der neue Feind heißt Organisationsplan (siehe Wissen).

Wobei fast alle Studierendenvertreter dieselben Kritikpunkte vorbringen: die Abschaffung demokratischer Strukturen, Orientierung an Wirtschafts- und Managementprinzipien und eine auf nur zwei Ebenen aufgebaute Binnenstruktur der Universitäten. Wohlgemerkt: auf Grundlage des UG 2002.

Freiheit im Handeln

Das Gesetz lässt bei seiner Umsetzung einigen Spielraum zu, so die ÖH-Vorwürfe. Weshalb sich Protestaktionen vor allem gegen die Uni-Rektoren richten, die nur sich selbst und die Professorenkurie bedienen würden. "Natürlich ist es so, dass die Leitungsorgane der Universität, also die Überbringer schlechter Botschaften, oft auch als die Verursacher gesehen werden", verteidigt der Rektor der Kunstuni Linz, Reinhard Kannonier, seine Kollegenschaft. "Unmut" sei ihm aber in jedem Fall "lieber als Resignation" - sie sei das Schlimmste, was passieren könne.

Die von der ÖH oft zitierte Drittelparität der Vergangenheit - gleiches Stimmrecht für Professoren, Assistenten und Studierende in allen Gremien - hätte auch für Mozarteum-Rektor Roland Haas noch länger Sinn gemacht. Früher "mussten Professoren mit Mittelbauern sprechen, mussten mit den Studierenden sprechen, weil die konnten notfalls mit dem Mittelbau eine Zweidrittelmehrheit machen", rekonstruiert er vergangene Vorteile.

"Ich habe stets betont, dass ich gerne mehr Mitbestimmung, insbesondere der Studierenden, aber auch des Mittelbaus, im UG 2002 gesehen hätte", sagt auch Kannonier.

Peter Putzer, Vorsitzender der ÖH Uni Klagenfurt und Vorstandsmitglied der Plattform unabhängiger Studierender, ist zufrieden mit dem Organisationsplan von Rektor Günther Hödl. Ob es Kritik gebe? - "Eigentlich nicht." Einzig die Universitätsassistenten hätten erst Einwände gehabt - "der Mittelbau hat den Gründungskonvent boykottiert" -, was aber der Vorsitzende des Universitätslehrerverbandes (ULV), Hubert Lengauer, regeln konnte. "Ich habe gesagt", meint Lengauer, "wir sind zwar so nicht zufrieden, aber wir verschaffen uns den Durchblick dadurch, dass wir Leute in den Senat entsenden." Diese Leute haben dann auch zugestimmt.

Alles besser als Wien?

An der TU Graz waren Mittelbau und Studierende im Senat von Anfang an einer Meinung: Sie stimmten gegen den Organisationsplan, unterlagen aber mit zehn gegen 14 Stimmen den Professoren. Mittelbau-Vertreter Wolfgang Heusgen resümiert: "Wir haben an der TU Graz die Institute bis zum kleinst erbrechbaren Nenner aufgeteilt. Wir haben jetzt auf einmal um 23 Institute mehr als früher." Weshalb die Mittelbauer im Senat meinten: "Wie soll das gehen? Das Budget wird kleiner, der Verwaltungsaufwand größer - da spielen wir nicht mit, den Blödsinn wollen wir nicht in unser Haus lassen." Doch gibt sich Heusgen verhältnismäßig optimistisch: "Wir wüssten nicht, was wir in der Situation der Uni Wien tun würden."

Dort liegen die Gespräche zwischen ÖH und Rektor Georg Winckler seit der Besetzung des Senatssitzungssaals im Jänner auf Eis. Wincklers Versuch, in einem offenen Brief "die Rückkehr zu gemeinsamen Gesprächen zu erleichtern", blieb erfolglos. Inzwischen meldet auch der Universitätsrat Bedenken an. Unter anderem werden die Anzahl der Fakultäten, deren Grundaufbau und Mindestausstattung sowie die Einrichtung von Beratungsgremien auf Fakultäts-Ebene neu zu regeln sein. Seitens der Universitätslehrenden regt sich nun auch organisierter Protest. Die "Plattform universitäre Mitbestimmung" fordert Studien-, Instituts-und Fakultätskonferenzen.

Torte statt Worte

Die Wincklersche Tortung folgt übrigens einer studentischen Tradition. Attentate mit Eiern, Pudding und anderen Süßspeisen gab es schon in den 1960er-Jahren in Graz und Berlin. In der deutschen Bundeshauptstadt wurden kürzlich TU-Präsident Kurt Kutzler sowie zwei Politiker mit Obersgeschoßen bedacht. Das meistgetortete Opfer überhaupt ist der französische Philosoph Bernard-Henry Lévy (sechsmal). Microsoft-Chef Bill Gates wurde 1998 in Brüssel getortet, einen Monat später entkam er in Manila knapp einer zweiten Attacke. (Der UniStandard, Printausgabe, 26.2.2003)