In der überschaubaren Szene der Linzer Topgastronomie nahm die Kremsmünsterer Stuben stets die Rolle des gutbürgerlichen Traditionalisten ein. Auf zwei Hauben brachte es das Lokal in dem über 500 Jahre alten Haus, das seit 1507 dem Stift Kremsmünster gehörte, 1900 von der Stadt Linz gekauft, seit 1986 als Restaurant verpachtet wurde. Vor zwei Jahren wurde zugesperrt, der Vertrag neu ausgeschrieben.

Der Grieskirchner Multigastronom Thomas Altendorfer gewann die Ausschreibung zwar nicht, konnte sein Konzept im Gegensatz zum Erstgereihten dafür finanzieren: Die "Kremsmünsterer Stuben" wurde mit 900.000 Euro (teilweise von der Stadt Linz) auf 500 Quadratmeter "Herberstein" (Bischof von Linz, Ende des 18. Jahrhunderts) ausgeweitet, ehemalige Lagerräume wurden zu Asia-, Cigar- und Oriental-Lounges, eine Café-Bar zog ins frühere Restaurant, das Restaurant schließt sich in Terence-Conran-artigem Outfit direkt an, ein Stüberl wurde zur Enoteca, "und als das Nektar in München eröffnet hat (in dem das Essen an Liegen serviert wird), haben wir so etwas natürlich auch gleich eingebaut". Etwas zu machen, was es in Linz nicht gibt, war Altendorfers Ambition.

Den Gegebenheiten des 500-jährigen Gebäudes musste man sich freilich unterordnen, und das verleiht dem Ensemble mitunter etwas leicht Erzwungenes - uralte Gewölbe, die da jetzt einen auf Soho und Tribeca machen. Bei der Gestaltung der Speisekarte bleibt man bodenständig, Küchenchef Martin Wöhrleitner spielt das, was in heimischer Szenegastronomie seit Jahren Erfolg verspricht.

Die Antipasti zum Beispiel werden der Vitrine in der "Enoteca" entnommen, auf hausgemachte Elemente zugunsten vorgefertigter Öl-Ware wird jedoch leider verzichtet (€ 6,50 / 13). Der Gruß aus der Küche in Form einer Fischterrine ist auch ein Gruß aus den 80er-Jahren, eh aktuell, die knusprige Entenbrust auf Quittenconfit war zwar nicht sehr knusprig, dank eines Löfferls mit einer würzigen Orangen-Curry-Sauce aber doch recht fein (€ 7,90). Die Kohlrabicremesuppe wäre mit etwas weniger Obers und mit gar keinem getrockneten Petersil noch besser gewesen (€ 3,50), beim Schwammerlrisotto mit Wachtel-Teilen übertrieb man es dafür mit frittiertem Rucola (€ 10,90). Das Saiblingsfilet auf Paprikakraut mit Roten Rüben und Erdäpfeln war nicht schlecht, ein bisschen weniger Tütü und Chaos am Teller hätte aber niemand vermisst (€ 16,90), das Rinderfilet passte ganz gut, an den Beilagen (Prosciutto-Rahm-Wirsing, Reibedatschi) könnte man noch arbeiten (€ 18,20).

Ob das alte Kremsmünsterer Haus der beste Platz fürs "Herberstein" ist, darüber kann man geteilter Meinung sein, darüber, ob weniger nicht ab und zu mehr ist, ebenfalls, und ob man sich bei "Herberstein" nicht eher was Steirisches erwartet, vielleicht auch. (DER STANDARD, rondo/27/02/2004)