Foto: Diezl
"Da gehörst bestraft, wennst da nicht was draus machst", dachte sich Thomas Diezl voriges Jahr, als ihm auffiel, dass das kleine, alte Naber-Geschäft in seiner Nachbarschaft zugemacht hatte. Und mit dieser Einschätzung hat der junge Werber, Mac-Supporter und Weinfreund natürlich absolut Recht. Denn von den ursprünglich vier Filialen der Wiener Kleinrösterei Naber existieren erstens nur mehr zwei Stück (Wiedner Hauptstraße, Wipplinger Straße), und zweitens zeichnen sich die Kaffeegeschäfte durch ein absolut fantastisches Design der frühen 50er-Jahre aus. Diezl musste also nicht viel mehr machen, als minimale Restaurierungen vornehmen, aus dem Schriftzug von "Naber Kaffee" "Kaffee Bar" schnitzen und die reichlich vorhandenen Regale und Fächer mit den Weinen seines Geschmacks befüllen.

Und das war auch nicht so schwer, denn mit Wein beschäftigt sich Diezl schon seit Jahren mehr oder weniger intensiv, lässt keine Messe aus, pflegt regen Kontakt zu Händlern und Winzern. Und da vor allem aus Kalabrien, Kampanien und Sizilien - eine so große Auswahl an Topweinen aus Süditalien wird man im ganzen Land sonst eher schwer finden. Auch Spanien und Frankreich sind ein bisschen vertreten, Österreich mehr als nur ein bisschen.

Diezls Weinbar "Diezl" ist klein, viel mehr als zehn Leute gehen nicht rein, sie verfügt über eine Küche, die aus einem Laptop-Gasherd und einem Kühlschrank besteht, die Toilette befindet sich am Gang, und die Lage kann auch nicht unbedingt als erstklassig bezeichnet werden. "Aber das ist eine Location genau so, wie ich es wollte. Die Leute sollen nicht zufällig hereinschneien, sondern extra deswegen herkommen." Klar, nicht auszudenken, wenn eine Weinbar mit so einem Angebot und so einem Design in der Nähe des Naschmarktes situiert wäre, Thomas Diezl wäre ein Fall fürs Sauerstoffzelt, die Weinbar müsste aus feuerpolizeilichen Gründen geschlossen werden.

Es gibt auch ein bisschen was zu essen

Neben den Weinen - von den etwa 170 Posten sind immer etwa zehn glasweise zu bekommen - gibt's auch ein bisschen was zu essen, und das kann dann je nach Angebot und Stress eine Auswahl hervorragender Käse oder eine Selektion getrüffelter Salami aus der Toskana, scharfer Salsicce aus Neapel und milden Räucherschinkens aus dem Südburgenland sein (€ 5). Und ein Teller mit Pasta ist auch immer zu bekommen, der allerdings mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit relativ scharf ist, da Doris und Thomas Diezl die pikante Würze der Chili-Schote bei ihren Aufenthalten in Thailand lieben lernten (€ 5,20). Und auch Kaffee wird gereicht, allerdings nicht mehr Naber, sondern drei Röstungen ebenfalls aus Süditalien, sehr stark, sehr bitter, sehr schwarz. Das "Diezl" ist ein in mehrerer Hinsicht äußerst spezieller Ort. Lebt von der Leidenschaft seiner Betreiber. Und ist damit ein Vorbild für alle, die meinen, ein bisschen Tassinaia und ein bisschen Prosciutto würden eh schon reichen. (DerStandard/rondo/Florian Holzer/26/03/2004)