Grafik: WuK
Wien - Auf der Projektionswand zieht ein Vollmond seinen nächtlichen Kreis über das Firmament. Die Bühne bemüht sich um Wohnzimmeratmosphäre: Fauteuils, ein Büchertisch, eine Leselampe. Drei Männer, sinnierend, in Denkerpose verharrend, rauchend, Gitarre spielend und Texte rezitierend.

Die drei (Detlev Eckstein und die beiden Frankfurter "TEXTxtnd"-Köpfe Oliver Augst und Marcel Daemgen) sehen sich nicht - scheinen sie doch in simultanen Überblendungen ein und dasselbe Individuum im Laufe einer durchdachten Nacht darzustellen: einen suchenden Geist, der Gedanken über Liebe und Tod wälzt, sich in das Hohelied Salomos, Dantes Göttliche Komödie, Kant, Charles Bukowski u. a. vertieft und in diesen Texten auf sich selbst zurückgeworfen wird.

So ließe sich Thomas Pernes' Das Fenster zum Paradies lesen, das Mittwoch im Wiener WUK seine Premiere erlebte. Und mit dem der Wiener Komponist, der sich schon in den 80er-Jahren in seiner Hinwendung zu Volksmusik und Jazz als Avantgarde-Renegat profilierte, ein eindrückliches "Klangtheater" ersonnen hat.

Gewiss, zu Beginn wird eine geringe Distanz zu Klischees spürbar, sind romantische Orchesterklänge in billigem Synthesizersound zu vernehmen. Doch die knapp 90-minütige Klangreise hat mehr zu bieten: Dissonanzen, die zu immer neuen Auflösungen drängen, geraffte elektronische Klangskulpturen, brachiale Noise-Attacken: Wie erratische Blöcke stellt Pernes, gemeinsam mit Christoph Korn an Keyboards und Elektronik werkend, die Klangaggregate in den Raum, assoziativ, intensiv, bruchhaft.

Aufgewühlt

Gleich Momentaufnahmen einer aufgewühlten Seele spiegeln diese als autonome, den Texten ebenbürtige Aussageträger das Innenleben des Bühnenwesens wider. Wobei klar ist, dass man sich hier in Pernes' eigenem Kopf wiederfindet: im Künstler, der um authentische, originäre Aussage ringt, die Begrenztheit seiner Existenz begreifen möchte. "Wenn Anschauungen mittheilbar wären, da gäbe es eine der Mühe lohnende Mittheilung: so aber muss am Ende Jeder in seiner Haut bleiben und in seiner Hirnschaale, und Keiner kann dem Andern helfen", wird am Ende Arthur Schopenhauer zitiert.

Als wolle er sich partout gegen diesen Satz auflehnen, der Welt buchstäblich ein Loch reißen, indem er der eigenen Emotio orgiastische Gestalt verleiht, türmt Pernes am Ende noch einmal gewaltige Klangmassen übereinander: Ein in seinem Hang zu Bombast und improvisatorisch- aktionistischer Selbstdarstellung vielleicht passend schwacher Schluss für ein gerade in seinen Widersprüchen, Brüchen und Fragen gelungenes, nachdenklich stimmendes Bühnenwerk. (DER STANDARD, Printausgabe, 2.4.2004)