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In Londons U-Bahnstationen sind die Plakate, auf denen symbolisch dargestellt ist, was man bei der Atkins-Diät alles essen darf, groß, häufig und sehr auffällig; in deutschen, englischen und amerikanischen Frauenzeitschriften füllen die diversen kreischenden Stories über Atkins-, Low Carb- und South Beach-Diät, und welcher Promi sich daran hält, viele, viele, viele Seiten; und in amerikanischen Supermarkt-Regalen findet man nun nicht mehr nur Produkte, die alle Low Fat, Low Colesterol und Low Wasweißich sind, wichtig und am wichtigsten ist jetzt Low Carb!

Das Kohlehydrat ist jetzt also böse. Komisch, nach der mittlerweile als Fett-Magnet bekannt gewordenen „Light“-Welle versuchte man den stupenden Konsumenten ja seit ungefähr zehn Jahren einzureden, dass Kohlehydrate der Weg zum Erfolg sind, Ausdauer und wahrhafte Kraft verschaffen, dass sie Energie bringen, ohne fett zu machen, und dass man – wenn man viel Spaghetti isst – erstens so toll Rad fahren kann wie Jan Ullrich und zweitens so gesund, schön und glücklich wird wie die Italiener, Griechen und Südfranzosen zusammen.

Und auch wenn die Montignac-Methode, die schon vor Jahren propagierte, mittels Verzehr von fetten Speisen und Verzicht auf jegliches Kohlenhydrat abzunehmen, noch von jedem klar denkenden Menschen als höchstens kurzfristig wirkender Trick bekopfschüttelt wurde, so scheint es, dass die ähnlich angelegten Diäten Atkins und Low Carb demnächst auch bei uns demnächst voll kommen werden.

Grob gesagt geht es bei diesen beiden Diäten darum, dass Kohlehydrate – vor allem schnell wirkende – den Insulinspiegel rasch erhöhen und dadurch ein Hungergefühl hervorrufen. Atkins, Low Carb und South Beach raten daher, auf Kohlehydrate – also Brot, Reis, Nudeln, Erdäpfeln, aber auch „süßes“ Obst – zu verzichten, die Bauchspeicheldrüse somit nicht anzuregen, Insulin zu produzieren, den Körper somit seiner Ernährung zu berauben, auf dass der nach einiger Zeit des Darbens unter Ausstoß von Ketonen die eigenen Fettzellen auffrisst.

Das funktioniert in gewisser Hinsicht auch tatsächlich, halt mit dem blöden Nebeneffekt, dass man sich Leber und Niere vergiftet, unter Konzentrationsmängeln leidet und nicht wirklich gut aus dem Mund riecht. Aber egal, was nämlich noch viel besser funktioniert, ist das Business um diese Wahnsinns-Diäten: Die Umsätze von Atkins – der Erfinder, Herr Atkins starb übrigens vor kurzem mit schwerem Übergewicht und Organschäden – sind schwindelerregend, alles, was sich industriell herstellen und verpacken lässt, wird von Atkins angeboten, „low carb“ ist ebenfalls dankbar, denn was „low“ ist, bleibt vergleichsweise undefiniert (für amerikanische Verhältnisse ist eigentlich alles, was Europäer essen, „low carb“, ein amerikanisches Frühstück reicht in Österreich für vier, zu jedem ohnehin schon gigantisch dimensionierten Sandwich wird auch noch ein Berg Fritten und ein Tellerchen Nudelsalat serviert ...).

Dass sich die Industrie alle paar Jahre was einfallen lassen muss, um neue Bedürfnisse zu wecken, und dass das mittels eigenartiger Studien und wissenschaftlicher Erkenntnisse besser geht als ohne, ist klar. Dass irgendwelche komischen Diäten im Sauseschritt zum Thema werden und gesamt-gesellschaftliche Auswirkungen haben, ist vielleicht in Amerika denkbar, nach europäischen Maßstäben aber zumindest seltsam. Dass die Leute aber offenbar bereit sind, alles zu glauben und jedes Geld auszugeben, um vermeintlich schlanker zu werden, anstatt dass sie einfach damit probieren, weniger Mist zu fressen, mehr Bewegung zu machen und sich mehr um das kümmern, was sie da oben in sich hinein tun, bleibt rätelhaft.