Wien - Eine "Vision für Carnuntum" hat Piero Bordin, Leiter des Festivals Art Carnuntum: "Es könnte neben Syrakus, Merida und Epidaurus das vierte Zentrum in der Welt sein, das sich mit dem klassischen Drama in Europa auseinander setzt - ein Zentrum im Herzen Europas." Den Boden dafür bereitet Bordin schon seit 1990 vor. Heuer werden die "Troerinnen" und "Medea" nach Euripides sowie Aristophanes' "Weiberversammlung" gezeigt - die beiden Letzeren als Koproduktionen mit Carnuntum, kündigte Bordin am Freitag der Presse an. Eröffnen wird das Festival am 24. Juni ein "Fest für Athen".

Eine Reise durch zweieinhalb Jahrtausende Theater, Musik, Demokratie und Poesie soll der Eröffnungsabend im Schloss Petronell werden. Zu Gast ist die griechische Komponistin Jula Jannaki mit ihrem Ensemble, präsentiert werden Musik, Lieder und Texte aus der Heimat des Theaters.

Programmpunkte

Am 28. und 29. Juni gastiert bereits zum sechsten Mal das New Yorker La Mama Theater in Carnuntum. In der Inszenierung von Andrei Serban werden Euripides "Troerinnen" gezeigt, "das erste Stück, das sich mit der Geschichte der Gefangenen beschäftigt hat", betont Bordin die Aktualität des Stoffs.

Am 9. und 10. Juli steht mit Aristophanes' "Weiberversammlung" eine Koproduktion mit den Antikenfestspielen Syrakus (dortige Premiere am 3. Juni) auf dem Programm. Peter Stein, der für Syrakus heuer "Medea" inszeniert hat, hat den jungen italienischen Regisseur Luciano Colavero beauftragt, mit dem "Medea"-Ensemble die Aristophanes-Komödie zu erarbeiten, in der die Frauen mit einem Schwindel die Herrschaft im Männerstaat übernehmen.

Träume von einem Theater-Neubau

Den Saisonabschluss macht am 25. Juli "Medea" in der Regie von Ricardo Iniesta, eine Produktion des Atalya Theater Sevilla in Koproduktion mit Art Carnuntum und den Antikenfestspielen Merida. Die Inszenierung, die auch Texte zeitgenössischer Autoren und Musik mit ethnischen Elementen aus Armenien, Albanien, Georgien, Persien, Griechenland und Rajastan einbindet, konzentriert sich auf Medea als "die Fremde".

Eine zusätzliche Eigenproduktion war finanziell heuer nicht drin, erklärt Bordin, doch sind die Koproduktionen eine Möglichkeit, Carnuntum international und in der Zusammenarbeit mit den drei anderen Antikenfestspielen noch stärker zu positionieren. Noch Zukunftsmusik ist Bordins Vision von einem "Marc Aurelium", dem Neubau eines antiken Theaters mit moderner technischer Ausstattung, wie es derzeit auch in Delphi entsteht.

Deutliche Worte

Sämtliche Aufführungen in Carnuntum werden dieses Jahr nicht im archäologischen Park, sondern im Schloss Petronell gezeigt, auch das Kinofestival findet heuer nicht statt. Bordin will damit gegen die im Park abgehaltene Gladiatorenshow protestieren. Das historisch verfälschte, unter dem "Deckmantel der Wissenschaft" abgehaltene Spektakel sei gerade an dem originalen Ort, an dem in der Antike Massenvernichtungen von Menschen stattgefunden hätten, "pervers und pietätlos", so Bordin. "Als Nächstes stellen wir dann Mauthausen als lustige Show nach. Ich schäme mich für Carnuntum."(APA)