Perchtoldsdorf - Mit großen Augen dreht eine junge Frau ihr Tüteneis in den Mund - in der Hoffnung, das Leben könne irgendwann immer so süß bleiben. Sie dreht so gierig, als würde sie glauben, so eine Kalorienbombe könnte den bitteren Alltag geschmacklich ausrotten. Karoline heißt dieses Sonntagskind aus Ödön von Horváths Volksstück, das mit aller Kraft das Besondere sucht und dabei in das Gewöhnlichste schlittert.

Ihrem melancholischen Freund Kasimir wurde der Kraftfahrerjob gekündigt, und anstelle längst woanders Beamtengattin zu sein, steht sie jetzt als Arbeitslosenbraut da. Das war nicht geplant. Doch Horváths Figuren wissen die längste Zeit schon, was eine Ich-AG ist, und so drückt dieses Gör in Gestalt der Chris Pichler an diesem Oktoberfestnachmittag verführerisch die zarten Schultern gegen das meerblaue Rummelplatzblech (Bühne: Georg Resetschnig).

So leicht wie ihr dann auf der durchaus zugigen Bühne der Perchtoldsdorfer Sommerspiele das Eis nach innen schmilzt, so leicht geht ihr auch von den Lippen, dass mit ihrem Kasimir jetzt "eventuell" Schluss ist und ihr "unter Umständen" auch ein Eugen gefallen könnte. Denn "eine Frau, die wo etwas erreichen will, muss einen einflussreichen Mann immer bei seinem Gefühlsleben packen".

Bald wird sie vom Balkon herab mit dem zwischen die spitzen Finger gezwickten Sektglas winken, während Menschen wie der Merkl Franz (gut ausgestopft: Hanno Pöschl) und seine Erna (sehr gut, kunstvoll melodisch: Melita Jurisic) sich herunten ans ordinäre Maßbier klammern.

Hölzern, wackelig

Der hölzern bajuwarisierende, insgesamt wackelige Kasimir des Andreas Bittl kann das aufstrebende Geschöpf nicht halten. Wenn sie wie wild mit dem Zuschneider Schürzinger (Rudolf Jusits) zur Achterbahn hinaufsteigt, oder - eine Stufe weiter - mit den herrlich trunkenen Alten, mit Notar Speer (Hermann Schmid) und Kommerzienrat Rauch (Branko Samarowski), eine kleine Cabriofahrt nach "Altötting" plant, dann ist eben anderer mehr gefragt. Regisseur Janusz Kica, dem mit seinem Liliom eine der besten Josefstadtarbeiten gelang, hat hier im Burghof von Perchtoldsdorf auf eine ähnlich aussparende Ästhetik gesetzt (die schönen Autodrome unterm Plastikschutz am Bühnenrand kommen nie zum Einsatz), auf eine Kunst, die zwischen den Figuren entstehen muss und auch genau dort lebt, nur geht sie hier unter freiem Himmel, mit Blasmusikkapelle und einem verstreut agierenden Ensemble einfach nicht auf. Matter Applaus. (DER STANDARD, Printausgabe vom 5.7.2004)