WebStandard: Was hält Microsoft-Österreich von den Überlegungen der Stadt Wien, Linuxnicht nur auf Servern sondern auch auf dem Desktop einzusetzen? Warum sollte Wien nicht umsteigen?

Thomas Lutz: Alle Softwareprodukte sind mit unterschiedlichen Vorzügen und Kosten verbunden. Öffentliche Einrichtungen sollten die Software erwerben, die ihren Anforderungen am besten gerecht wird und dabei jegliche kategorische Präferenzen für Open Source-Software, kommerzielle Software, freie Software oder sonstige Software-Entwicklungsmodelle vermeiden. Die öffentliche Verwaltung sollte Software anhand ihres Nutzens und nicht wegen eines bestimmten Entwicklungsmodells auswählen.

Wie in der Privatwirtschaft sollte die Software eingesetzt werden, die den sachlichen Anforderungen am besten gerecht wird. Die politisch motivierte Präferenz eines bestimmten Modells – sei es Open Source-Software, kommerzielle Software oder ein sonstiges Entwicklungsmodell – trifft nicht notwendigerweise die Bedürfnisse der Nutzer. Vielmehr sind Kriterien wie Funktionalität, Leistungsfähigkeit, Sicherheit und gesamte Anschaffungs- und Folgekosten geeignet, in einem fairen und ausgewogenen Wettbewerb den Einsatz der geeignetsten Software im Bereich der öffentlichen Verwaltung sicherzustellen.

Die Entwicklung innovativer Software wird am ehesten durch die Kräfte des Marktes vorangetrieben. Eine Einflussnahme auf die Marktkräfte beispielsweise durch politisch motivierte Beschaffung im öffentlichen Bereich führt langfristig zu Innovationshemmung und Verzerrung des Wettbewerbs sowohl im Softwarebereich als auch zwischen Software- und Hardwareherstellern.

WebStandard: Wie konkurriert man gegen ein Gratis-Betriebssystem?

Thomas Lutz: Auch in so rationalen Branchen wie der Informationstechnologie haben es irrationale Mythen immer wieder geschafft, Fuss zu fassen. Das "Gratis Betriebssystem" ist ein gutes Beispiel dafür.

IT-Kosten müssen jedoch gesamtheitlich betrachtet werden. Experten weisen zu Recht auf das Verhältnis "Kosten-Nutzen-Risiken" über die ganze Nutzungsdauer eines Systems hin. Beim Open Source-Modell werden Leistungen erbracht (Softwareentwicklung, Marketing, Vertrieb), für die vordergründig kein Geld genommen wird, andererseits müssen diese Aktivitäten wieder quersubventioniert werden, zum Beispiel durch die notwendige Zusatzsoftware sowie hochpreisige Services für Systemintegration, Softwaretests, Installation, Schulung und Wartung. Diese Vorgehensweise ist nicht transparent und führt zur falschen Ressourcenallokation: Kosten werden nicht da gedeckt, wo sie entstehen.

Auch Open Source ist mittlerweile ein hartes Geschäft geworden, in dem große Unternehmen den Ton angeben. Daher wundert es kaum, dass die großen Anbieter von Linux Software mehrheitlich große Konzerne sind, welche damit ihre Hardware- und Dienstleistungsangebote querfinanzieren und zusätzliche Einnahmen aus der Komplexität von IT Plattformen generieren. Die aktuellen Entwicklungen am Markt zeigen auch, dass Open Source Software mehr und mehr dem kommerziellen System folgt und die maßgeblichen Entwicklungen innerhalb großer (mehrheitlich amerikanischer) IT Konzerne stattfindet.

Es bilden sich innerhalb der Distributionslandschaft von Linux zunehmend Oligopole und die Vermarktung der Produkte erfolgt entlang bekannter kommerzieller Schemata wie Lizenzen pro Arbeitsplatz, langfristige Support- und Wartungsverträge, Updatezyklen u.v.m. Im kommerziellen Umfeld von Linux entstehen jedoch nicht nur Lizenzkosten, sondern auch nicht unbeträchtliche Integrations- und Wartungskosten. Damit relativieren sich allfällig geringere Anschaffungskosten für den Anwender schnell, da er diese zusätzlichen Kosten ebenfalls zu tragen hat. Diese Aufwendungen, die bei Standardsoftware in weit geringerem Maße anfallen, werden als neue Umsatzchance der Open Source Integratoren gesehen, welche auch gleichzeitig die stärksten Befürworter für Open Source darstellen. (sum)