Besorgte Eltern
Davon kann die 16-jährige Tanja nur träumen. Seit sie 14 ist, versucht sie immer wieder, ausgeklügelte Argumentationsketten, tränengefüllte Riesenaugen und Beispiele aus dem Bekanntenkreis in die Waagschale zu werfen, um ein Zungenpiercing durchzusetzen, bisher ohne Erfolg. In ihrer Verzweiflung griff zu kürzlich sogar zu unlauteren Mitteln. Sie fälschte die Unterschrift ihrer Mutter auf dem Formular. Dieses Wagnis scheiterte allerdings an der Umsicht des Piercers, der verlangte, dass ein Erziehungsberechtigter sie begleitete. Blöd gelaufen. Wegen der Sorge ihrer Eltern um ihre körperliche Gesundheit muss Tanja wohl mit dem Zungenpiercing warten, bis sie 18 ist.
Rechtliche Grauzone
Denn bis zum 18. Lebensjahr sind juristisch streng genommen die Eltern dafür verantwortlich, "die körperliche Unversehrtheit" ihrer Kinder zu garantieren. Wie sie auch vor einer Operation für ihre Sprösslinge die "Einverständniserklärung" unterschreiben, muss ein Elternteil vor einem Piercing sein Einverständnis geben. Piercen und Tätowieren werden nämlich vom rechtlichen Standpunkt als operativer Eingriff gewertet.
Bis zum Frühjahr 2004 war das Piercen und Tätowieren von Jugendlichen und Kindern unter 18 prinzipiell verboten, wurde jedoch vom Gesetzgeber geduldet. "Wir arbeiteten sozusagen im juristischen Graubereich", erzählt Piercer und Tätowierer Thomas von seinem juristisch ungeregelten Arbeitsalltag. Die Gefahr, von entrüsteten Eltern geklagt zu werden, war ständig präsent. Trotzdem wollten die Studios nicht auf die relevante Zielgruppe unter 18 verzichten.
Rechtlicher Einordnungsversuch
Die Tatoo-Studios beginnen erst seit kurzem, sich aus dem juristischen Graubereich zu lösen. Erst seit drei Jahren können beispielweise Gewerbescheine gelöst werden, die Piercer und Tätowierer dem Gewerbezweig "Kosmetiker" zuordnen. Der Wildwuchs unausgebildeter Piercer ist seither zurückgegangen, die rechtliche Situation hinsichtlich minderjähriger KundInnen blieb vorerst weiter ungeregelt. Erst 2004 trug der Gesetzgeber der Tatsache Rechnung, dass viele Jugendliche sich bereits unter die Nadel begaben. Sie erlaubten offiziell das Tätowieren und Piercen Jugendlicher in Österreich mit Einverständnis der Eltern.