Wenn Nichtschauspieler schauspielen, so hat das im Falle des Wiener Vorstadttheaters von Manfred Michalke nicht zwangsläufig nichtkünstlerische Gründe. Sie stehen nur außerhalb jedes Konzepts. Bewohner des Integrationshauses sowie Migranten aus Osteuropa spielen seit Freitag im Wiener Kabelwerk Maxim Gorkis großes "sozialkritisches Schauspiel" Nachtasyl. "Nachtasyl" (uraufgeführt 1902) versammelt einen "Aushub" verlorener Menschen und Absteiger: Falschspieler, Straßenmädchen, Quartalsäufer und Totschläger. Es scheppern die Nachttöpfe unter gleicher Anteilnahme, wie im Eck ein Mensch verröchelt.

Der Theaterabend ist allein über die Spieler zu erschließen, die der knapp zusammengehaltenen Inszenierung Michalkes ihre Melodien geben, je nach Muttersprache - und davon gibt es hier viele: Die Darsteller kommen aus Armenien, Georgien, der Ukraine, Polen, dem Kosovo, Persien, dem Sudan, Äthiopien und Sierra Leone. Und sie spielen so, wie sie vielleicht sind: verhuscht oder behäbig, starr wie Besenstiele oder tänzerisch schwebend, wie es etwa Farzad Mojgani als (betrunkener) Schauspieler macht.

Die Russisch-Deutsche Aufführung verläuft nicht, wie man annehmen könnte, simultan, sondern abwechselnd gemischt! Wer nicht des Russischen und Deutschen mächtig ist, dem wird in manchem Dialog entweder Frage oder Antwort entgehen. Und da man trotz großer Bemühungen meist auch die sehr akzentuiert gesprochene deutsche Sprache kaum versteht, entwickelt sich in der brutal kahlen (und kühlen) Bühnenhalle des Kabelwerks ein nicht ganz wirkungsloser babylonischer Stimmensog. (afze/DER STANDARD, Printausgabe, 14.9.2004)