In ihrem "Incubator" reifen (von oben) David Subal, Philipp Gehmacher, Sabina Holzer und Clara Cornil, tanzende Kommunikationauten auf dem weiten Parkett der Gesten.

Foto: Incubator
Zwei konzeptuelle Werkansätze in performativer Mikro- und Makroskopie. Eine Geschichte gegensätzlicher Ähnlichkeiten.


Auf den ersten Blick haben der österreichische Choreograf Philipp Gehmacher und das Kollektiv Superamas aus Wien und Paris wenig gemeinsam. Gehmachers Arbeiten sind ausgesprochen minimalistisch, während Superamas aus dem Vollen des Medienspektakels schöpfen. Im Versuch jedoch, die Werke der beiden parallel zu lesen, ergeben sich erstaunliche Verbindungen.

Das Tanzquartier Wien zeigt Gehmachers brandneue Choreografie Incubator als Uraufführung im Oktober und Superamas' Big, 2nd episode (show/business), das bereits bei ImPulsTanz zu sehen war, im Dezember. Philipp Gehmacher setzt mit Incubator seine große, über mehrere Stücke führende Reise durch die Mikrosphären des Körpers, seiner Bewegungsräume und Zeitrahmen sowie der Kommunikation, ihrer Gesten und Berührungen, fort. "Für mich", sagt der Choreograf, "sind die Bereiche der individuellen Kommunikation und die Frage, welche Art von ästhetischem System die Geste ist, überaus interessant."

Die Makrosphären, die Blasen und Schäume der medialen Parallelwelt, die Repräsentationsräume und Ökonomien des Spektakels sowie die Kommunikationsoberflächen des Körpers sind zentrale Themen bei Superamas. Big, 2nd episode spielt Stereotypen der Flimmermedieneinfalt gegeneinander aus, mit Catwoman und Godard, mit Sex, Lügen und Videoprojektion. Eine Arbeit, die formal nichts zu wünschen übrig lässt.

In Gehmachers Choreografien greift die formale Ausgefeiltheit dort, wo es um die Unentrinnbarkeit aus der Repräsentation und um die Metakommunikation der über sich selbst hinausweisenden Geste geht. Die Kernfrage dabei: Welche Sozialität entsteht, wenn man sein Gegenüber als Reales berührt oder als Projektion? Bei Superamas ist die Projektion des Mediums als fiktives Gegenüber Teil der Analyse einer Unentrinnbarkeit aus dem repräsentativen Dasein. Das Massenmedium weist immer stärker über sich selbst hinaus und berührt Funktionen von Politik.

Über den Teich

In der Parallellektüre von Gehmacher und Superamas berühren einander Mikro- und Makrosphären. Trotz der beinahe lückenlosen Unterschiede im Auftritt der beiden sehr konzeptuell angelegten choreografischen Kategorien offenbaren sich schon beim zarten Antippen gegensätzliche Ähnlichkeiten.

Parallelen gibt es auch in der öffentlichen Wahrnehmung: An Incubator sind außer dem TQW noch das Berliner Hebbeltheater, das Brüsseler Kaaitheater und les subsistance in Lyon als Koproduzenten beteiligt, wo die Arbeit im Lauf der kommenden Saison gezeigt wird.

Und Superamas, die ihre Position in Europa weiter ausbauen konnten, bereiten ihren Sprung über den großen Teich nach New York und an das Walker Art Center in Minneapolis vor. (SPEZIAL/DER STANDARD, Printausgabe, 14.9.2004)