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schauspielhaus.at

Foto: Schauspielhaus
Wien - In die staubtrockene, surrende, mitunter hoch angespannte Luft im Theater fährt das Wiener Schauspielhaus unter der Hand seines allerersten Ausführers Barrie Kosky immer lieber mit einem erfrischenden Strom von jauchzender Musik.

Da bleibt das Schauspiel daneben geringfügig beschäftigt und die drei für die Eröffnungspremiere von wiener lächeln höfisch auffrisierten Pomeranzen in Schleppkleidern (Beatrice Frey, Melita Jurisic, Susi Stach) bloß monströse Feigenblätter der Darstellkunst. Eine Verschwendung.

Der als "Theaterfantasie" prolongierte Abend ist in Wahrheit ein szenischer Liederabend, in dem 25 Sängerknaben tun, was Sängerknaben immer tun: Sie singen schön, beherzt, stellenweise ergreifend. So, dass die drei wohl aus einem Walzertraum zu Kaisers Zeiten datierenden Ladys leise schmachten und wehmütig schmelzen. An ihren in Netzen gefangenen, toupierten Haaren zerspringen später Seifenblasen des pustenden Knabenchors.


Rappen und rocken

In napoleonische Tracht gehüllt (darunter in Frack und mit Zylinder), hüpft die größte Boygroup der Welt flink aus Riesenblechdosen und gibt unter dem Dirigat ihres Chefs Gerald Wirth sängerisch ihr Bestes.

Sie rappen und rocken (dann schon in bunten T-Shirts), spannen ihr zum Teil von Susanne Wolf getextetes Liedgut weit zwischen Rock-Hymnen und Büchner-Vertonungen auf, auch wenn die genreübergreifenden Mutproben dann doch nicht ganz zu "Toxic Rock" führen, wie eine mit Totenkopf versehene T-Shirt-Aufschrift verkündet.

"Ich wäre gern Diego Maradona! Und ich wäre gern Glenn Miller!", gestehen Talente zwischendurch, bevor es dann doch noch - unter anfeuernden Stimmen der Mannschaft im Sitzkreis - zum Walzertanz mit den gelangweilten Damen kommt.

"What is this thing called love?", haucht eine Frauenstimme von Anfang an periodisch vom Band. Aber wir fragen uns: What ist this thing called Schauspielhaus, in dem mehr und mehr genau das zu kurz kommt, wofür es namentlich gedacht ist, und wofür tatsächlich einmal jeder Gedanke angestrengt wurde? Nichts gegen Musik, aber bitte mehr Theater im Theater. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 16.9.2004)