"Imago" von Regisseur und Schriftsteller Ulrich Hub im Burgtheater Vestibül
Redaktion
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Den Moment einer Wahrheit hält man im allerschlechtesten Fall auf einer Fotografie fest. Fotos sind längst keine Beweise für die Wirklichkeit mehr. Sie betrügen, wo geht. Sie aber sind die geheimsten Träger von Offenbarungen ihrer Macher und Betrachter. In diese Schnittstelle von Sein und Nichtsein, sicht- und unsichtbar, Realität und Fantasie setzt der aus Tübingen gebürtige Schauspieler, Regisseur und Schriftsteller Ulrich Hub (41) sein Stück Imago: Ein Mann fotografiert heimlich seine Ehefrau beim ekstatischen Sex mit anderen Männern und erweckt mit den so entstandenen Bildern seine eigene Freundin und sich selbst zum großen Einbildungsstreit.
Das Ausmaß gelebter sexueller Fantasie ist bei der österreichischen Erstaufführung im Burg-Vestibül nur aus dem speichelumspülten "Oh" der neiderblassten Hausfreundin (Heike Kretschmer) erahnbar, wenn sie ihre ungläubigen Augen auf die mit beiden Händen fest gehaltene Fotografie heftet. Kann das wahr sein?
"Imago" dehnt Spielräume zwischen wahr und falsch aus, gibt eine denkerische Ebene vor, die es jedoch spielerisch nicht einhalten kann: Dem Kammerspiel fehlen in der Inszenierung der jungen Wienerin Marie-Theres Stremnitzer (28) alle Abgründe. Johannes Terne als fragwürdiger Dokumentarist seines eigenen Betrogenseins und Heike Kretschmer stolpern weintrinkend durch die Fernsehspielkulisse (Bühne: Ronald Zechner), als wär's ein "Columbo" für Fernsehmuffel. Das große Rätsel, die Lüge, der Selbstbetrug - das alles hat man weggespielt. Es bleibt ein wenig Angst vor der Wahrheit, aber die bleibt ja immer. (afze/DER STANDARD, Printausgabe, 21.9.2004)
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