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Verena Walter ist zornig. "Wir sollten da etwas unterschreiben, über das wir gar keine Informationen hatten", erzählt die ehemalige Schülerin der HBLA Auhof. Die Aufforderung, dem Bildungsdokumentationsgesetz Folge zu leisten und Angaben zu Schulbesuch, Freifächern und Förderunterricht in Verbindung mit der Sozialversicherungsnummer zu machen, wurde vom Direktor an SchülerInnen und Eltern verschickt.

Widerstand bei Schülern

Verena Walter und Jasmin David, zwei Schülerinnen, weigerten sich, der Aufforderung nachzukommen. "Wir haben dann auch alle anderen Eltern und SchülerInnen auf die Problematik dieser Datensammlung aufmerksam gemacht", erzählt Verena Walter. Unterstützt wurden sie dabei von Christian Mayrhofer, dem ehemaligen Landesschulsprecher Oberösterreichs. Die Folge ihrer Informationstour durch die Klassen: An der HBLA Auhof in Linz verweigerten 498 Personen mit einem Schreiben der ARGE Daten die Abgabe ihrer Sozialversicherungsnummer. "Am Schlimmsten finde ich, dass vielen Eltern gar nicht bewußt war, was sie da unterschreiben, weil die Fragebögen so 'harmlos' aussehen", ärgert sich Walter.

"Massiver Eingriff"

Unterstützung für den Aktionismus der Schülerinnen kommt von der ARGE Daten. „Wir werden das Gesetz vor den Verfassungsgerichtshof bringen, soviel steht fest“, erklärt Hans Zeger, Obmann der ARGE Daten. Dass immer mehr SchülerInnen, Eltern und LehrerInnen sich gegen die Statistik sträuben, überrascht ihn nicht. "Hier passiert ein massiver Eingriff in das verfassungsmäßig garantierte Datenschutzrecht jedes einzelnen Schülers", ist Zeger überzeugt. Das Bildungsdokumentationsgesetz stellt die Rechtsgrundlage für statistische Meldungen aller Bildungseinrichtungen an zentrale Stellen dar. Es sieht vor, die Daten der SchülerInnen in Form von Datensätzen auf elektronischem Wege zu übermitteln und damit automatisationsunterstützt eine Gesamtevidenz der SchülerInnen zu erstellen.

60 Jahre Speicherung

Hauptkritikpunkt an der Bildungsdokumentation von LehrerInnen, Eltern und Datenschützern: Die personenbezogenen Daten werden mit der Sozialversicherungsnummer eingehoben und 60 Jahre lang gespeichert. Darunter fallen auch sensible Daten, die sonderpädagogischen Förderbedarf, Religionsunterricht oder die Teilnahme an Schulveranstaltungen betreffen.

"Die behauptete 'Verschlüsselung' der SV-Nummer ist dabei bloß ein billiger Taschenspielertrick“, klagt Hans Zeger. „Tatsächlich wird die Nummer nur EDV-mäßig kodiert, sodass man jederzeit unter Bekanntgabe einer SV-Nummer alle Bildungsdatensätze zu dieser Person abrufen kann.“

Bewerber ausspionieren

Die Befürchtung der ARGE Daten: Noch Jahrzehnte später könnten sich potentielle Arbeitgeber nur unter Angabe der Sozialversicherungsnummer über etwaige „Schwächen“ des Bewerbers während der Schulzeit informieren. „Diese Horrorvision ist eigentlich keine Vision mehr, sondern schon Wirklichkeit“, berichtet Zeger. Wünsche von Seiten der Wirtschaft, bei der Bewerberauswahl auf die Daten zugreifen zu können, seinen schon geäußert worden.

"Erhebliche Zweifel"

Kritik am Bildungsdokumentationsgesetz kommt auch von juristischer Seite. Professor Dietmar Jahnel, Professor für Öffentliches Recht an der Universität Salzburg und Experte für Datenschutzrecht, sieht gute Chancen für die Aufhebung des Gesetzes. „Es bestehen berechtigte Zweifel, dass das Bildungsdokumentationsgesetz verfassungskonform ist“, erklärt Jahnel.

Grundrecht auf Datenschutz

In Paragraph eins Datenschutzgesetz ist das Grundrecht auf Datenschutz verfassungsmäßig garantiert. Gesetze, die einen Eingriff in dieses Grundrecht darstellen, dürfen die Verwendung von Daten, die ihrer Art nach besonders schutzwürdig sind, nur zur Wahrung wichtiger öffentlicher Interessen vorsehen und müssen gleichzeitig angemessene Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen festlegen. Auch im Falle zulässiger Beschränkungen darf der Eingriff in das Grundrecht jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden.

Nicht gelindestes Mittel

„Der Eingriff, den das Gesetz vorsieht, geht einfach zu weit“, begründet Jahnel seine Rechtsmeinung. Vor allem die Verknüpfung der Daten mit einer Sozialversicherungsnummer würde nicht das "gelindeste Mittel" darstellen. „Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass das Bildungsdokumentationsgesetz einer Prüfung vor dem Verfassungsgerichtshof nicht standhalten würde.“

Prüfung beim Verfassungsgerichtshof

Ob es allerdings überhaupt zu einer Prüfung kommt, hängt vom Tätigwerden der Betroffenen ab. In Frage kommt ein Individualantrag der Betroffenen an den Verfassungsgerichtshof, der das Gesetz überprüfen muss. Als zweite Möglichkeit können Eltern oder SchülerInnen gegen einen Bescheid so lange Berufung erheben, bis sie vor dem Verfassungsgerichtshof landen. "Wir werden jedenfalls alle Möglichkeiten wahrnehmen, die sich uns bieten", so Zeger von der ARGE Daten. Betroffene, die sich gegen das Bildungsdokumentationsgesetz wehren wollen, hätten sich schon viele gemeldet. (az)