Die Grünen treten - unter Bedingungen - für ein Ende der Neutralität ein.

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Wien – Die Grünen haben es mit der Abschaffung der Neutralität doch nicht so eilig, wie es nach gestrigen Ankündigungen von Sicherheitssprecher Peter Pilz ausgesehen hat. Denn Parteivize Eva Glawischnig stellte bei einer Pressekonferenz Montag Vormittag zwei Bedingungen für solch einen Schritt, die derzeit praktisch unerfüllbar erscheinen. Demnach würden die Grünen einem Abschied von der Neutralität nur dann zustimmen, wenn kein europäischer Staat mehr eine Sonderrolle habe, also nicht mehr der NATO angehöre. Außerdem müsste das Europäische Parlament die gemeinsame Sicherheitspolitik in der Union aktiv kontrollieren können.

Beschluss des Bundesvorstands

Exakt dies sei der Beschluss des Erweiterten Bundesvorstands, bei dem sich die Grünen Ende Oktober nach monatelangen Diskussionen zu einem Sicherheitspapier verständigt hätten, berichtete Glawischnig. Und sie machte klar, dass tatsächlich die oben genannten Voraussetzungen erfüllt sein müssten, um die Zustimmung der Grünen zur Abschaffung der Neutralität zu erreichen: "Bedingungen sind Bedingungen". Überdies müsste einem Ende der Neutralität eine Volksabstimmung mit entsprechenden Votum vorausgehen.

Dass es jemals zu solch einem Szenario kommt, ist für die stellvertretende Bundessprecherin allerdings höchst unwahrscheinlich. Man spreche hier von einem "fast utopischen Fall". Die Grünen hätten sich mit einer "idealtypischen Vision von Europa" beschäftigt. Dabei war Glawischnig auch sichtlich bemüht klarzustellen, dass für ihre Partei militärische Einsätze ohnehin immer an allerletzter Stelle als Ultima Ratio stünden. Sicherheitspolitik bedeute für sie in erster Linie Kampf gegen Atomkraftwerke oder gegen soziale Armut.

Von Pilz losgetreten

Losgetreten hatte die ganze Debatte Pilz, der in einem STANDARD-Interview de facto den Grünen Abschied von der Neutralität verkündet hatte: "Neutral sein ist keine Antwort auf die Frage, was Europa machen soll." Der Sicherheitssprecher trat dabei für ein gemeinsames europäisches Heer ein, das in Summe deutlich kleiner sein müsse als die Summe der 25. Dieses Militär müsste unter der Führung eines europäischen Verteidigungsministers stehen. In etwa zehn Jahren sollte es nach Meinung von Pilz bereits eine Volksabstimmung über das Konzept geben: "Ich hoffe, dass wir dann Ja sagen."

Kritik für diese Ansagen musste sich der Abgeordnete von seiner Parteikollegin Glawischnig nicht gefallen lassen, obwohl sich Pilz sichtlich doch etwas weit hervorgewagt hatte. Wie die stellvertretende Parteivorsitzende betonte, mache sie hier niemandem einen Vorwurf. Wie es zu der verkürzten Darstellung gekommen sei, wisse sie nicht.

Voggenhuber: Abschaffung "noch ein weiter Weg"

Bis zur Abschaffung der österreichischen Neutralität ist es nach Worten des Grünen EU-Abgeordneten Johannes Voggenhuber "noch ein weiter Weg". Mit ihrem Beschluss im Erweiterten Bundesvorstand hätten die Grünen "eine große Vision" aufzeigen wollen, sagte Voggenhuber am Montag der APA. Demnach sollte es eine gemeinsame Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik aller 25 EU-Staaten und eine Kontrollfunktion des Europäischen Parlaments in diesen Bereichen geben. "Wenn das geschieht, sind wir bereit die Neutralität in Frage zu stellen."

Voggenhuber warf der schwarz-blauen Bundesregierung vor, mit der in der EU-Verfassung vorgesehenen "strukturierten Zusammenarbeit" einiger EU-Staaten in der Militärpolitik zu liebäugeln. "Das ist für Österreich nicht der richtige Weg", betonte der Abgeordnete, der den Beschluss seiner Partei mitgetragen hat. Die Kriterien für eine Teilnahme seien nämlich praktisch nur von NATO-Mitgliedern zu erfüllen. "Wir sind gegen die Identität von EU- und NATO-Mitgliedschaft", betonte Voggenhuber. Die "strukturierte Zusammenarbeit" sei ausschließlich als Angelegenheit der Regierungen definiert, womit in Europa wieder "eine Achsen- und Blockbildung des 19. Jahrhunderts" drohe.

Das vom Bundesvorstand verabschiedete Papier nannte Voggenhuber einen "mutigen, kühnen und vorwärtsgewandten Beschluss". Der darin aufgezeigte Prozess gelte für die nächsten zehn Jahre. In diesem Sinne müssten sich nunmehr alle Parteien zu ihren Vorstellungen über die europäische Verteidigungspolitik "outen". Bis die von den Grünen genannten Bedingungen erfüllt seien, sollte die Neutralität neu begründet werden, verlangte Voggenhuber. Diese dürfe heute nicht mehr als Folge der Nachkriegsordnung und als Abkapselung Österreichs verstanden werden, sondern als "Instrument der Mitentscheidung". Den Vorwurf der SPÖ, die Grünen würden sich mit ihrer Haltungsänderung an die ÖVP anbiedern, bezeichnete der EU-Abgeordnete als "Hirngespinst".

(APA)