Wien – Der Big Brother Award, ein Preis mit dem auf die Gefahren des Datenmissbrauchs aufmerksam gemacht werden soll, ging heuer an das Bildungsdokumentationsgesetz. Seit dem 1. Jänner 2003 werden auf dessen Basis personenbezogene Daten von Schülern und Studierenden erfasst, um "verlässliche Planungsgrundlagen" zu erhalten.

Erhoben wird neben statistischem Material über Geburtsort oder Staatsangehörigkeit auch "sonderpädagogischer Förderungsbedarf", der aktuelle Ausbildungsstand, die Teilnahme an Ethik- oder Religionsunterricht und, für Kritiker der Stein des Anstoßes: die Sozialversicherungsnummer. Damit können Daten personenbezogen rückverfolgt werden. Im Bildungsministerium sieht man das anders: Die Nummer diene als "Identifikator", etwa bei der regionalen Verteilung von Bildungsabschlüssen.

Rudolf Apflauer, im Haus für die Abwicklung der EDV- Erfassung zuständig, kann datenschutzrechtliche Bedenken nicht nachvollziehen: "Die Sozialversicherungsnummer wird ja nicht rückführbar verschlüsselt und in die so genannte Bildungsevidenzkennzahl verwandelt." Bei der Umsetzung sei man erfolgreich: Bislang wurden rund 650.000 Schülerdatensätze erhoben, von insgesamt 4212 Schulen österreichweit. Und jene Schulstandorte, die noch nicht gemeldet haben, werden laufend zur Übermittlung ermahnt.

Inkompatible Software

Egon Preiml etwa, Direktor des Schulzentrums Ungargasse in Wien. Er übt im Gespräch mit dem Standard Kritik an der organisatorischen Umsetzung: Das Zusammenspiel zwischen dem Verschlüsselungsprogramm des Ministeriums und den vielen, unterschiedlichen Schulverwaltungsprogrammen funktioniere "überhaupt nicht". Daher sagt Preiml: "Solange uns nicht ein Programm gegeben wird, bei dem auf Knopfdruck die Daten, die wir gesammelt haben, auch ankommen, wo sie hingehören, machen wir gar nichts." Die Erfassung via Excel-Datei kann für ihn nur eine "Übergangslösung" sein, bis ein geeignetes Datenbanksystem gefunden wird.

Durch die teils inkompatible Software sind bereits mehrere Fristen für die Dateneinholung verstrichen. Nur ein Datum ist fix: Die gewonnenen Informationen sollen 60 Jahre im Zentralcomputer gespeichert werden. Für Kurt Nekula, Vorsitzender des Verbandes der Elternvereine an öffentlichen Pflichtschulen, ein abschreckendes Szenario, woran er gleich ein weiteres knüpft: Wenn ein HTL-Direktor beim Aufnahmegespräch etwa sehe, dass "der kleine Franzi viele Förderkurse besucht hat oder beim schulpsychologischen Dienst war", werde er sagen "solche Schüler brauchen wir in unserer Anstalt nicht".

Nekula glaubt nicht an Schutz vor Datenverknüpfung durch die gesetzlichen Bestimmungen. Diese könnten jederzeit mit dem Argument der "Verwaltungsvereinfachung" beseitigt werden. Der Elternverband hat ein Modell entwickelt, mit dem personenbezogene Daten an den über 6000 Schulstandorten gespeichert werden sollen. Zentral erfasst würden nur "absolut anonymisierte Daten". Nekula setzt auf Verhandlungen mit dem Bildungsministerium. (Karin Moser/DER STANDARD-Printausgabe, 11.11.2004)