Vor hundert Jahren begab man sich am Wochenende mit der Straßenbahn gern an den Stadtrand, um dort dann entweder eine kleine Wanderung in den Wienerwald zu unternehmen und anschließend in eines der vielen für solche Fälle installierten Ausflugsgasthäuser einzukehren oder das mit der Wanderung sein zu lassen und gleich zu Punkt zwei überzugehen. Die Straßenbahnlinie 49 bot sich für diesen Zweck an, da sie innerstädtisch beginnt, um schließlich im durchaus schön dörflichen Hütteldorf zu landen, wo dann gleich der "Prilisauer", der "Sanfte Heinrich" oder der "Schweinerne Frack" warteten.

Die meisten der Ausflugsgasthäuser sind längst verschwunden (der "Prilisauer" nicht), stattdessen zog an die Ufer des Halterbachs vorstädtische Normalität, inklusive Supermärkte, Pizzerien und Bankfilialen. Und weil Bankfilialen ab und zu auch schließen, wurde in der ehemaligen CA in Hütteldorf wieder Platz für Neues.

Für das "L421" zum Beispiel, das sich vom Durchschnitt der neuen Asia-Lokale nicht zuletzt dadurch unterscheidet, dass Li Junmin in Sachen Design nicht fackelte, sondern gleich das derzeit für solche Angelegenheiten angesagteste Architektur-büro beauftragte. Also kleideten die Damen und Herren von "BEHF" die Bankfiliale in graue Jalousien und Platten im minz-cappuccino-farbenen Lilien-Porzellan-Stil, ließen grüne Blätter an Nylonfäden von der Decke hängen und kümmerten sich auch darum, dass die Transparenz des Raumes mittels durchsichtiger Plastiksessel nicht getrübt werde. Apropos Transparenz: Beim Betreten des "L421" muss man durch einen gläsernen Windfang, und wie man erfährt, hat sich da nicht erst einer den Kopf angehauen.

Li Junmin kommt aus Hang Zhou, führte vor 13 Jahren in Wilhelmsburg sein erstes Chinarestaurant (Heimat des Lilien-Porzellans, daher wahrscheinlich auch die Farbgebung im "L421"!), hatte dann in St. Pölten eine Sushibar und kochte die vergangenen Jahre in diversen östlichen und westlichen Küchen Wiens, darunter auch das "on" in der Josefstadt. Fisch zuzubereiten ist die große Passion von Herrn Li, und es sei da auch sehr viel geplant, er wolle sein Publikum aber erst einmal langsam und vorsichtig an das Thema heranbringen, was ihm mit einer Speisekarte, die einen äußerst interessanten asiatischen Stilmix genauso enthält wie die Möglichkeit, sich den "Tagesfisch" in sieben Zubereitungsvarianten anrichten zu lassen, auch sehr gut gelingt.

Fisch, "der auch nach Fisch schmeckt"

Die indonesische Ayam-Currysuppe mit Huhn war gut und äußerst reichhaltig bestückt (€ 2,90), die scharfe thailändische Garnelensuppe mit Lemongrass, Koriander und Lotus tatsächlich recht scharf, dabei aber erfrischend und leicht (€ 3,70), die asiatische Frittatensuppe mit Bambuspilz und Seetang vielleicht etwas gewöhnungsbedürftig, vor allem, weil die Frittaten eher Backerbsen waren (€ 2,60). Die würzigen Bambussprossen waren würzig, die dazu gereichten gedämpften grünen Sojabohnen weniger (€ 3,30), auch die Schnecken mit Ingwer, Knoblauch und Jungzwiebel klangen ein bisschen interessanter, als sie es dann wirklich waren (€ 5,20). Das gedünstete Rindfleisch in indischem Kurma-Curry mit Okra war jedenfalls köstlich, fast so zart und saftig wie Milchlamm (€ 13,80); bei den Tagesfisch-Zubereitungen enttäuschte der sautierte Wels mit Ingwer, Zitronenblättern und Shitake-Pilzen aufgrund unangenehmer Erinnerung an frühere Chinarestaurant-Erfahrungen, umso besser die Tandoori-Version mit mächtiger "Meistersauce" (€ 10,50). Anders als viele andere Asia-Restaurants ist das "L421" mit Sicherheit, in vieler Hinsicht sogar besser (z. B. Parkplatz!). Und darauf, dass Li Junmin Fisch serviert, "der auch nach Fisch schmeckt", wie er sagt, kann man sich auf jeden Fall schon einmal freuen. (DERSTANDARD/rondo/Florian Holzer/10/12/04)