Doppelt hält besser: Josef Hader lässt in "Hader muss weg" sein Alter ego schon nach Kurzem erschießen - und schließlich noch eine Corvette über die Leiche donnern.

Auch wenn der Kabarettist, der in sieben Rollen schlüpft, gegen Ende hin ein Opfer der Komplexität wird.


Wien - In seinem neuen Programm würden, ließ Josef Hader vorab wissen, eine "Vorstadtstraße voller Gebrauchtwagenhändler, eine heruntergekommene Tankstelle, ein grindiges Lokal, ein Kuvert mit 10.000 Euro, eine Schusswaffe und circa sieben verpfuschte Leben" vorkommen. Es werde also "wieder total unpolitisch". Was natürlich nicht stimmt. Denn Josef Hader weiß um die Erwartungen, denen er, das politische Kabarett verdammend, doch auch gerecht werden will.

Aber sein Stück, Hader muss weg betitelt, soll eine stimmige Milieustudie bleiben: Wenn der Besucher das Theater - im Fall der Uraufführung jenes winzige am Alsergrund - betritt, ist der Abend bereits im Gange. Und Hader spielt sich raffiniert von allen Zwängen frei: Er wartet, mit Microport ausstaffiert (und daher hörbar), in der Garderobe auf seinen Auftritt.

Bis zum Ende der akademischen Viertelstunde räsoniert er mit dem Techniker Gerhard über die aktuelle und, da Hader muss weg sicher ein Langzeitrenner wird, leicht aktualisierbare österreichische Befindlichkeit: Er zieht über Strassers dümmliches Gesicht her, über Gusenbauer und Cap (die es unter Kreisky nur zu Bezirkssekretären gebracht hätten), über die Kirche und ihre Seelenkrüppel, über die "städtischen Weichei-Wichser", die Pino Grigio schlürfen und ein STANDARD-Abo haben.

Der Nestbeschmutzer

Hader schimpft nicht über die spanische Inquisition im Mittelalter, sondern darüber, wo er sich befindet, denn damit kenne er sich aus: "Ich mach mein Auto dreckig, also mach ich auch mein Nest schmutzig." Zudem schafft er die - wenngleich völlig an den Haaren herbeigezogene - Ausgangssituation für alles Weitere: Weil er jetzt, vor Vorstellungsbeginn, noch schnell bei einer Tankstelle Batterien kaufen muss und zudem 10.000 Euro Umsatzsteuer mit sich schleppt.

Wenn Hader nun im Brenner-tauglichen Trenchcoat die Bühne betritt, befindet sich das Alter Ego, ein mürrisch-misanthropischer Kabarettist, eigentlich auf der Straße: Hader erzählt eine rasante Pulp Fiction-Geschichte. Aber er erzählt sie nicht wirklich, da es weder einen auktorialen noch einen Icherzähler gibt: Hader reiht eineinhalb Stunden lang konsequent Dialog an Dialog. Die insgesamt sieben Charaktere, die er abwechselnd verkörpert, sind nicht so sehr durch Gestik definiert, aber durch Stimme, Sprache, Lachlaute. Und Hader macht das, wie gewohnt, hervorragend.

Jede Type ist ein Schlager: Der Hader-Fan Werner mit Blasenentzündung, dessen Liebesschwüre eigentlich Hasstiraden sind; der proletarisch-polternde Tankwart, der ob des Konkurses Selbstmord begehen will; der wie Falco nasalierende Pianist, der Cole Porters Miss Otis Regrets mit einem ziemlich schrägen neuen Text versieht; Werners Freundin Cornelia, die das Kind des Pianisten selbst abgetrieben hat (und stolz darauf ist); schließlich die ukrainische Opernsängerin, die, eine Zauberflöten-Arie trällernd, als Lockvögelchen bei den Erpressungen ihres russischen Zuhälters dient.

Und der korrumpierte Kabarettist mit dem Batzen Geld? Hader muss schon bald weg: Wird, bevor sich die Ereignisse überstürzen (der verfilmungstaugliche Plot kennt viele überraschend-groteske Wendungen), erschossen. So nimmt sich Hader zwar selbst aus dem Spiel, doch gegen Ende hin wird er zur Marionette seiner Figuren: Statt zu steuern, entgleiten ihm die Dialoge, verwechselt er die Stimmen. Hader wird das Opfer seiner trashigen Geschichte. Was sich wohl beheben lässt. (DER STANDARD, Printausgabe, 10.12.2004)