Wien – Der überraschende Rücktritt Ernst Strassers hatte den Abgeordneten der Regierungsparteien offenbar nachdrücklich die Stimmung verdorben. Anders ließen sich die gereizten und teilweise gehässigen Reaktionen der schwarzen und blauen Mandatare auf eine recht harmlose Protestaktion der Studenten auf der Zuschauergalerie nicht erklären:

Als Bildungsministerin Elisabeth Gehrer in der Universitätsdebatte das Wort ergriff, warfen einige von ihnen unter dem Ausruf "Shame on you" schwarzes und blaues Seidenpapier in den Saal. ÖVP und FPÖ empörten sich, als ob es weit Schlimmeres gewesen wäre und forderten umgehend eine Unterbrechung der Sitzung sowie die Einberufung der Präsidiale. Dass sich die gerade vorsitzführende SP- Nationalratspräsidentin Barbara Prammer weigerte, der Aufforderung nachzukommen und es bei der Räumung der Galerie beließ, heizte die Gehässigkeiten weiter an.

Der VP-Abgeordnete Karl Donabauer legte der Grünen Eva Glawischnig ein Papierbündel mit den Worten "zurück an den Absender" auf den Tisch, und generell waren sich Schwarz und Blau einig, dass die Drahtzieher der Demonstration nur auf der Oppositionsbank sitzen könnten. Glawischnig wies das zurück, SP-Chef Alfred Gusenbauer bezeichnete die Protestaktion als illegitim, hielt aber eine Präsidiale für unnötig – das Klima blieb vergiftet.

Gehrer selbst fand es zwar "nicht gut, auf diese Weise die Auseinandersetzung um die Zukunft der Universitäten zu führen", steuerte zur allgemeinen Beruhigung wenig bei: "Ein bisschen Recht" habe Donabauer schon, hätte doch der Bildungssprecher der Grünen Kurt Grünewald in seiner Rede die Studierenden zu "hör- und sichtbarem Widerstand" aufgefordert.

So betrachtet wäre SP-Wissenschaftssprecher Josef Broukal der zweite große Schuldige des Tages gewesen. Denn der warf ÖVP und FPÖ vor, "Demokratieabbau im Stundentakt" zu betreiben. Die Regierung versuche, sich mit einer "umwegigen Konstruktion" die bei den vorigen Wahlen verloren gegangene Mehrheit im Studentenparlament wieder zu beschaffen. Von "Zensur" sprach Grünewald, die Regierung habe jedes Augenmaß bei der Machtausübung verloren. Universitäten müssten ein Ort der Auseinandersetzung sein, so Grünewald: "Wenn das eine Regierung nicht aushält, ist sie schwach, mutlos und ziemlich feig."

Gehrer entgegnete, die Änderung des ÖH-Gesetzes sei nötig geworden, weil mit dem Uni-Gesetz 2002 mehr Autonomie an den Universitäten eingeführt worden sei. Die 218 Mandatare der 21 Uni-Vertretungen würden weiterhin direkt gewählt und entsenden künftig Mandatare in die Bundesvertretung.

Das habe mit Demokratieabbau nichts zu tun, meinte Gehrer und empfahl, die Delegation in die Bundesvertretung "als demokratische Möglichkeit zu sehen". Unterstützt wurde sie von ÖVP-Wissenschaftssprecherin Gertrude Brinek und der FPÖ-Abgeordneten Elke Achleitner, die den Entwurf für die ÖH-Gesetzesnovelle im Nationalrat einbrachten. (DER STANDARD, Printausgabe, 11./12.12.2004)