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"Jetzt fließt halt das Budget von einem schönen Sommer- und einem noch teureren Winterurlaub in die Strafzahlung", sagt Hannes Eder im E-Mail-Interview zu den Effekten der "Aktion scharf" der IFPI.

Bild: Archiv/Universal Music Austria

Seit einigen Jahren klagt die Musikindustrie über sinkende Einnahmen. Als Hauptgrund dafür werden zumeist illegale Downloads genannt. Nach einer Aufklärungskampagne hat die Musikindustrie auch in Österreich zu härteren Mittel gegriffen und die "Aktion Scharf" gestartet. Zum Thema illegale Downloads, Kopierschutzmechanismen und Versäumnisse der Musikindustrie hat der WebStandard Hannes Eder einige Fragen gestellt.

Hannes Eder ist Geschäftsführer von Universal Music Austria und im Vorstand der IFPI (Verband der österreichischen Musikwirtschaft), bekannt wurde er auch als "Starmania"- Juror. Universal Music Austria hat in Österreich einen Marktanteil von über 36 Prozent. Die Topseller liegen in den Bereichen Pop, Dance, Rock, Schlager, Jazz und Klassik. Österreichische Stars aus dem Hause Universal Music Austria sind etwa Christina Stürmer, Kurt Ostbahn, STS, Wolfgang Puschnig, SaxoFour, Café Drechsler und Ludwig Hirsch.

Im E-Mail-Interview spricht Hannes Eder mit Klaus Kraigher über hartnäckige Raubkopierer, die in Form von Klagen "ein paar auf die Finger brauchen", verspricht aber auch "versteckte Karotten" und meint damit Zusatzfeatures, die den Inhalt der Alben interessanter machen sollen. Selbstkritisch gibt er sich bei den Versäumnissen der Musikindustrie und meint, dass in den vergangenen Jahren vielleicht "zu viele langweilige Alben" erschienen sind. Aber auch von Kopierschutz, dem iPod und der Tatsache, dass "einem auch der Wirt im Lieblingsbeisl das Bier nicht schenken würde", ist die Rede.

WebStandard: Wie sehen Sie die Zusammenarbeit mit den heimischen Internet-Providern bei der Jagd auf Raubkopierer? Auf WebStandard-Anfrage betonten zahlreiche Provider, dass sie Kundendaten nur mit entsprechenden behördlichen Begehren herausgeben würden.

Hannes Eder: Klarerweise legen die Provider ihre Kundendaten nicht jedem offen. Das ist auch gut so. Die IFPI hat allerdings das Auskunftsrecht im Verdachtsfall. Und im Rahmen von Ermittlungen wegen Verdacht auf illegale Filesharing-Aktivitäten werden diese "behördlichen Begehren", also Gerichtsbeschlüsse, den Providern auch vorgelegt. Es handelt sich also mehr um eine Frage des Rechts, als der Kooperation.

WebStandard: Hat die Musikindustrie in der Vergangenheit Fehler gemacht, wurden Entwicklungen verschlafen?

Hannes Eder: Ja, kein Zweifel. Einerseits wurden da Entwicklungsmöglichkeiten sehr stark unterschätzt (im gleichen Ausmaß wie sie beim Start-Ups-Hype überschätzt wurden). Andererseits darf man nicht vergessen, dass die Majors aus ihren umsatzstärksten Jahren kommend, null bereit waren, gemeinsam mit den Mitbewerbern rasch Lösungen zu suchen, sich zu arrangieren. Bei den Indie-Labels war es im Übrigen auch nicht viel anders.

WebStandard: Studien beweisen, dass der Traffic in Online-Tauschbörsen trotz zahlreicher Klagen nicht rückläufig ist. Ist die Strategie der Musikindustrie sinnvoll?

Hannes Eder: Studien gibt es sonder Zahl und Aussage. Fakt ist, dass die "Aktion scharf" der IFPI in Österreich ja eben erst angelaufen ist. Wir verfolgen damit das Ziel der Aufklärung, des Bewusstmachens, dass es sich um Diebstahl kreativen Eigentums eines Künstlers handelt. Die hartnäckigeren Fälle brauchen halt ein paar auf die Finger – das sind die Klagen. Im zweiten Teil der Strategie sind dafür die Karotten versteckt, d.h. wir versuchen den Inhalt der Alben interessanter zu gestalten. Aufwertung des Contents, seien das jetzt Bonustracks, Videos, CD-Rom-Tracks, Zugangscodes für extra Features auf Websites, etc. Vielleicht sind in den letzten Jahren auch zu viele langweilige Alben mit zu vielen beliebigen Fülltracks zwischen den Singlehits veröffentlicht worden.

WebStandard: Ist die Musikindustrie nicht immer einen Schritt hinterher? Seit es die Klagen der Musikindustrie gibt, boomen "anonyme Tauschbörsen" oder Dienste zur Anonymisierung. Ist dieser Wettlauf überhaupt zu gewinnen?

Hannes Eder: Das ist eine Hase-Igel-Geschichte. Gerichtlich bewirkte Schließungen solcher Börsen haben keinen Sinn, weil am nächsten Tag zwei neue da sind. Anonym ist aber niemand, das ist auch ein Effekt der "Aktion scharf". Die meisten "Ertappten" haben angegeben, dass ihnen durchaus bewusst war, dass sie da was Illegales tun, nur hätten sie nicht damit gerechnet dabei aufzufliegen. Jetzt fließt halt das Budget von einem schönen Sommer- und einem noch teureren Winterurlaub (bei manchen sogar das von zwei Jahren) in die Strafzahlung. Ich denke, das merkt man sich eine Weile. Es geht nur über ein Umdenken der Musikkonsumenten, nicht übers Bekämpfen der Tauschbörsen. Der Konsum von Musik ist so hoch wie noch nie, und ich denke, es ist legitim, wenn man dafür auch Geld verlangt. Kommt ja auch keiner auf die Idee, dass einem der Wirt im Lieblingsbeisl das Bier schenken würde.

WebStandard: Der Unterhaltungskonzern Sony Music stattet künftig seine CDs für Japan nicht mehr mit Copy-Protection aus. Der Grund für den Umschwung beim Unterhaltungskonzern sind japanische Konsumenten. Diese haben nach Angaben des Unternehmens das Bewusstsein rund um Copyright und Musik-Piraterie verbessert und die gesetzlichen Rahmenbedingungen würden Vergehen jetzt strikter bestrafen. Ist diese Entwicklung auch in Österreich zu erkennen?

Hannes Eder: Innerhalb Europas gibt es nicht zuletzt aufgrund der neuen EU-Enforcement-Richtlinie eine gute gesetzliche Basis zum Schutz des geistigen Eigentums, und mit der Novelle des Urheberrechts ist ja auch in Österreich etwas passiert. Die rein technische Maßnahme des Kopierschutzes ist – zugegeben – unzureichend. Es geht ums Bewusstsein beim Konsumenten (siehe oben).

WebStandard: Gibt es bei Universal Österreich kopiergeschützte CDs?

Hannes Eder: Im Rahmen von einigen JointVenture-Releases und auf Bandmanagement-Wunsch bei internationalen Veröffentlichungen ist Kopierschutz ein Thema. Lokales Repertoire statten wir nicht damit aus.

WebStandard: Ist "Digital Rights Management" die Entwicklung der Zukunft?

Hannes Eder: Ja, nicht nur was Downloads im Netz betrifft, auch die zunehmende Bedeutung der Mobile-Auswertung macht DRM unverzichtbar.

WebStandard: Legale Downloadmöglichkeiten nehmen auch in Österreich zu. Welche Möglichkeiten sollten die User im Umgang mit den legal erstandenen Songs haben, wie oft sollte ein Song zum Beispiel auf CD gebrannt werden dürfen?

Hannes Eder: Was ich mir da vorstelle ist völlig unerheblich. iTunes hat die Latte gelegt, da haben jetzt alle anderen die Gelegenheit auch drüber zu springen. Sobald jemand für einen Track bezahlt hat, soll er ihn gerne ein paar Mal kopieren können.

WebStandard: Ist die Creative Commons Lizenz, die es erlaubt, Teile von Songs für eigene Werke zu verwenden, ein Modell der Zukunft?

Hannes Eder: Die Vernetzung von Kreativschaffenden (und somit Urhebern) ist in jedem Fall zu begrüßen, allein schon, damit sich die Betroffenen ihrer Rechte bewusst sind. Dass die Urheber selbst und unbürokratisch über die Vergabe von Nutzungsrechten entscheiden, kann ein Modell der Zukunft sein.

WebStandard: Was halten Sie von Geräten wie den iPod, besitzen Sie selbst einen iPod?

Hannes Eder: Ja, ich gestehe. Ich hab auch einen, seit einem Jahr. Ich benutze ihn partiell. Soll heißen, ich habe weder die Zeit meine sehr umfangreiche Platten- und CD-Sammlung zu rippen, noch bin ich gewillt Herrn Jobs tausende Euro zu überweisen, um die alten Bestände in den iPod zu stopfen. Bislang ist der iPod der Beginn einer neuen Ära für mich, wo nichts drauf ist, das vor 2004 erschienen ist. CDs hab ich trotzdem noch, fahre also duales System. Das ist wahrscheinlich eine Generationenfrage. Wer gerade erst damit beginnt, eine Sammlung aufzubauen, der wird das wohl besser gleich im iPod tun. Bei allfälligen Übersiedelungen ist das sehr vorteilhaft.

WebStandard: Dank – illegaler – Downloads haben User heute einen nahezu unbeschränkten Zugang zu unterschiedlichster Musik aus aller Welt. Muss diese "Demokratisierung der Musik" einen Musikliebhaber neben den negativen ökonomischen Aspekten nicht auch erfreuen?

Hannes Eder: Gegenfrage: Ist der Fernsehgenuss durch die Verhundertfachung der einstigen Auswahlmöglichkeit so viel attraktiver geworden? "Demokratisierung der Musik"? Ich halte das für eine sehr romantisierende Darstellung. Der Zugang zu soviel (Über-)Angebot bleibt eine rein theoretische Verbesserung. Wie soll denn der peruanische Internetsurfer auf die Waxolutionists aus Wien stoßen, ohne begleitende Marketing/Promotion-Maßnahmen? Und – viel wichtiger – inwiefern sollte das den Waxolutionists helfen ihre Miete zu bezahlen?