Schättle: "Wir sind keine Sprachschule"

Foto: derStandard.at/Zielina

Tischschmuck bei unserem Interview: Blumen von einer Studentin zum Dank für die Unterstützung

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Bei unserem Interview steht auf dem Tisch ein großer Blumenstrauß: Von einer Studentin, die sich für die Unterstützung durch Prof. Schättle bedanken möchte. So etwas komme allerdings selten vor, versichert uns die Studienprogrammleiterin. An ihrer Beliebtheit bei den Studierenden gibt es trotzdem keinen Zweifel - ein Interview über offene Ohren und offene Türen.

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derStandard.at/Uni: So gut wie alle befragten StudentInnen oder Studienrichtungs-vertreterInnen am Dolmetschinstitut haben sofort Ihren Namen genannt, als es um die Nominierungen für unsere Serie ging – ein ungewöhnlich einheitliches Votum. Überrascht?

Schättle: Insofern bin ich überrascht, weil ich von der Interview-Serie noch nichts wusste. Danach habe ich mir natürlich schon gedacht, dass die Sudienrichtungsvertretung (STRV) dahintersteckt, weil ich ja einerseits als Lehrende, andererseits als Studienprogrammleiterin, einen durchwegs erfreulichen Kontakt zu den Studierenden habe.

Wir haben eine sehr aktive und engagierte STRV, die in vielen Fällen die allererste Anlaufstelle für Studierende ist. Sozusagen die erste Klagemauer. Position zwei habe dann ich in diesem Haus als Klagemauer.

derStandard.at/Uni: Haben sie sich diese Rolle selber ausgesucht?

Schättle: Die Studienrichtungsvertretung und ich haben immer eine konsequente Politik in diesem Punkt verfolgt und sind uns einig: Die Studenten sollen bitte zu uns kommen, wenn sie Fragen oder Probleme haben. Eine Politik der offenen Tür sozusagen. Wir versteifen uns auch nicht auf Sprechstunden, wenn jemand zu mir kommt und ich habe nicht gerade eine Sitzung oder Ähnliches, nehme ich mir selbstverständlich Zeit.

derStandard.at/Uni: Diese "offene Tür" ist aber auch nicht bei allen ProfessorInnen selbstverständlich – warum bei ihnen?

Schättle: Wenn ich das nicht machen würde, könnte ich ja die Probleme nicht lösen. Ein ganz wichtiger Punkt ist dabei auch, dass ich versuche, die Studierenden nicht einfach zu einer anderen Instanz weiterzuschicken, sondern das Problem bleibt bei mir und ich versuche zu helfen.

derStandard.at/Uni: Haben die Studenten keine Hemmschwelle, einer Professorin über Probleme mit anderen Lehrenden zu erzählen – aus Angst, dass ihnen daraus Nachteile erwachsen?

Schättle: Das ist insofern kein Problem, weil ich natürlich keinem Professor erzähle: Die Frau Soundso hat sich über sie beschwert. Was mir erzählt wird, bleibt hinter verschlossenen Türen. Was ich allerdings nicht akzeptiere, sind anonyme Beschwerden. Wer eine Kritik hat, muss auch dahinterstehen.

Leider ist es eine alte Tradition dass man vor Lehrern Angst hat. In so einem Fall schicke ich die Leute dann zur STRV. Die meldet mir dann, dass ich jemand über ein bestimmtes Problem beschwert hat, behält aber den Namen des Klägers für sich – eine Art doppelter Filter.

derStandard.at/Uni: Dass die Arbeit mit der STRV so gut funktioniert, ist auch nicht selbstverständlich – in vielen anderen Instituten stehen sich Lehrende und Studierende eher als gegnerische Parteien gegenüber. Diesen Bruch gibt es bei ihnen nicht?

Schättle: Das war bei uns nie Tradition. Wir sind gemeinsam auf die Straße gegangen, wir haben die Transparente gemeinsam gemalt, als es nötig war zu demonstrieren. Auch unser neuer Studienplan wurde in sehr enger Zusammenarbeit mit den Studierenden erarbeitet. Viele konstruktive Ideen wurden von Studentenseite eingebracht, und sie sehen manchmal als unmittelbar Betroffene auch Dinge, auf die man sonst vielleicht gar nicht kommen würde.

derStandard.at/Uni: Es herrscht also eine seltene Einigkeit zwischen Lehrenden und Studierenden?

Schättle: Ich muss sagen, ich sitze auch in anderen Universitätsgremien, und ich bin froh über das gute Klima, das hier bei uns am Zentrum herrscht. Es trägt sicher viel dazu bei, dass wir versuchen die Probleme gemeinsam zu lösen.

derStandard.at/Uni: Eine der eher kontrovers aufgenommenen Ideen der STRV war, wieder eine Eignungsprüfung für das Dolmetschstudium einzuführen. Wie sehen sie diese Forderung?

Schättle: Es zeichnet die STRV aus, dass diese Idee von ihrer Seite her kam. Sie haben dafür viel Kritik einstecken müssen, dabei ist die Forderung vernünftig und notwendig. Wir werden die Einführung einer Eignungsprüfung auch beantragen. Mitte Jänner in der Studienkonferenz wird darüber entschieden. Zumindest für die erste Fremdsprache wäre es dringend nötig, ausreichende Kenntnisse nachzuweisen.

derStandard.at/Uni: Ebnet die Einführung einer Eignungsprüfung nicht den Weg für die Beschränkung des freien Hochschulzugangs?

Schättle: Es ist ja keine Begrenzung der Zulassung, sondern eine Überprüfung der Sprachkompetenz. Momentan wird ja auch schon "beschränkt", aber eben durch unser Email-Anmeldesystem. Der, der am schnellsten auf den Knopf drückt, oder in der Lage ist, den PC zu manipulieren, bekommt den Platz in der Lehrveranstaltung. Das ist auch eine Studienbeschränkung, aber eben eine sehr unfaire.

derStandard.at/Uni: Herrscht generell ein falsches Bild vom Dolmetschstudium? Oder warum glauben viele Leute, hier Sprachen von Null auf Lernen zu können?

Schättle: Es kommen hier zu Semesterbeginn Studierende her, die keine Fremdsprache beherrschen. Denen muss ich sagen: Sie sind im falschen Institut. Um Dolmetsch zu studieren, muss man schon sehr gute Kenntnisse in zwei Fremdsprachen haben. Wir sind nicht in der Lage, Sprachkurse für Anfänger zu bieten – Wir sind keine Sprachschule.

derStandard.at/Uni: Was von den Studierenden sehr gelobt wurde, ist, dass sie sich auch für "Kleinigkeiten" Zeit nehmen. Stimmt das?

Schättle: Es ist zum Beispiel so, dass wir derzeit parallel zwei Studienpläne laufen haben, und es daher sehr viele Anrechnungsfragen gibt. Ich als Studienprogrammleiterin bin auch dafür zuständig. Objektiv geht es dabei vielleicht manchmal nur um eine kleine Prüfung oder ein Zeugnis, aber für die Studierenden kann dieses Zeugnis entscheidend sein.

derStandard.at/Uni: Wie können sie StudentInnen helfen, die mit einem solchen Problem zu ihnen kommen?

Schättle: Ich bin der Meinung, dass es für beide Seiten so unbürokratisch wie möglich ablaufen sollte. Wenn ich hier ein Zeugnis habe, das aus irgendeinem Grund einen falschen Aufdruck hat – es steht Übung drauf, tatsächlich war es eine Vorlesung. Theoretisch wäre dann ein langes, bürokratisches Prozedere nötig. Ich versuche aber, solche Kleinigkeiten möglichst schnell aus dem Weg zu räumen. Damit ist beiden Seiten geholfen.

derStandard.at/Uni: Was für Auswirkungen hatte das Universitätsgesetz 2002 auf die Bürokratie?

Schättle: Manchmal gibt es Studierende, die zu mir kommen und sagen: ‚Sie sind schon die sechste Station für mich, man schickt mich immer weiter’. Es gibt noch einige "schwarze Löcher" im System, Probleme, bei denen keiner weiß, wer zuständig ist. Auf vielen Formularen steht noch drauf, dass die Verantwortung beim Studiendekan liegt, aber den gibt es in der neuen Organisation gar nicht mehr.

derStandard.at/Uni: Welche Eigenschaften muss ihrer Meinung nach ein/e ProfessorIn haben um studierendenfreundlich zu sein?

Schättle: Ich gehe im Verhältnis zu den Studierenden davon aus, dass ich mit gleichberechtigten Partnern zu tun habe. Aus Erfahrung habe ich gelernt, dass StudentInnen, wenn sie sich engagieren, oft mit sehr guten Ideen ankommen. Leider ist das System teilweise wirklich ein Wahnsinn, was die Bürokratie angeht - das System kann ich leider nicht ändern, aber ich kann versuchen, auf einer Basis gegenseitigen Respektes soviele Probleme wie möglich aus dem Weg zu räumen.