Wien - In der Wiener Theaterlandschaft herrscht tiefe Betroffenheit über den Tod Hans Gratzers. Burgtheaterdirektor Klaus Bachler, der mit Gratzer u.a. von 1986 bis 1990 am Berliner Schillertheater zusammengearbeitet hat, empfindet dessen Schicksal als "tragisch". "Gratzer war einer der bedeutendsten Theatermänner des Landes in den vergangenen Jahrzehnten. Ihn zeichneten Fantasie und Mut aus, und dementsprechend wurde es ihm auch immer wieder sehr schwer gemacht in einer Stadt, in der immer wieder Infamie und Neid zum Tragen kommen", so Bachler.

Gratzers Biografie war für Bachler "voll von Begabung und Möglichkeiten, aber auch von Tragik, wie die vieler bedeutender Österreicher. Er hat in dieser Stadt viel bewegt und ist immer wieder an dieser Stadt gescheitert, die für innovative Menschen eine große Hürde darstellt."

Airan Berg: "Inspiration für modernes Theater"

Airan Berg, gemeinsam mit Barrie Kosky heutiger Leiter des von Hans Gratzer gegründeten Wiener Schauspielhauses, ist dem verstorbenen Theatermann dankbar: "Wir würden nicht dort sein, wenn Gratzer dieses wunderbare Haus nicht gegründet hätte. Er war eine Inspiration für viele, wie man auch in Wien modernes Theater machen kann", so Berg. "Gratzer hat mit seiner Liebe und Leidenschaft für das Theater viel bewegt in einer Stadt, in der Bewegung nicht alltäglich ist."

Gratzers Vermächtnis seien "viele wunderbare Autoren, Schauspieler und Regisseure. Sein Tod ist großer Verlust, er war einer der wichtigsten modernen Theatermacher der Stadt."

Michael Schottenberg: "Er hat Wien heller gemacht"

Der designierte Volkstheaterdirektor Michael Schottenberg, der Gratzer als einer seiner Weggefährten von der ersten Stunde an im November 2004 den "Nestroy" für sein Lebenswerk überreicht hat, erinnert sich: "Hans Gratzer ist wie ein Zauberer über Wien gekommen. Durch ihn ist ein neues Theatergefühl entstanden. Er hat Zuschauer wie Schauspieler gleichermaßen verhext. Er hat Wien heller gemacht. Man hätte ihm in seinem letzten Wirken mehr Geduld und Vertrauen geschuldet."

Emmy Werner: Umgang mit Gratzer ist "unrühmliches Kapitel der Wiener Theatergeschichte"

Volkstheaterdirektorin Emmy Werner, die bereits 1973 mit Gratzer zusammengearbeitet hat und bis zuletzt in engem Kontakt mit ihm stand, zeigte sich sehr betroffen von der Nachricht des Todes ihres langjährigen Kollegen und Freundes. "Es ist erschütternd, ein viel zu früher Tod eines großen österreichischen Theatermanns. In seinem letzten Jahr ist mit Fahrlässigkeit, Feigheit und Verlogenheit mit ihm umgegangen worden. Es ist ein unrühmliches Kapitel der Wiener Theatergeschichte." 1988, als es um die Direktion des Volkstheaters ging, waren Werner und Gratzer direkte Konkurrenten. "Er hat sich damals so toll verhalten, als die Entscheidung auf mich gefallen war", erinnert sich Werner. Die Josefstadt wäre ihrer Meinung nach unter Gratzer "ganz bestimmt ein gutes Theater geworden. Er hat Fehler gemacht am Anfang, aber gerade, als es sehr gut zu laufen begann, war es für ihn zu Ende."

Kaup-Hasler: Sein "Theaterschaffen hatte ungeheure Strahlkraft"

Veronika Kaup-Hasler, designierte Intendantin des Festivals "steirischer herbst": "Das Theaterschaffen Gratzers hatte eine ungeheure Strahlkraft, besonders sein Engagement für neue Texte. Seine Förderung des Autorentheaters in den 1980er-Jahren war in diesem Ausmaß unvergleichlich. Das steht für mich im Zentrum der Erinnerung an diesen Theatermann. Die Josefstadt hat ihm eigentlich nie entsprochen." Zum Vorgehen rund um Gratzers Vertragsauflösung und die bevorstehende Entscheidung um die Lohner-Nachfolge an der Josefstadt meinte Kaup-Hasler: "Man sollte hoffen, dass die Politik auch aus den Fehlern der Vergangenheit lernt und hier ein professionelles Prozedere einschlägt im Sinne einer Qualitätssteigerung für das Theater." (APA)