Foto: Wörtherseefestspiele/Helge Bauer
Er kam, wurde gesehen und siegte: Renato Zanella tanzte vor zehn Jahren als große Zukunftshoffnung für das Ballett der Wiener Staatsoper in das Haus am Ring ein. Er hatte bei Heinz Spoerli in Zürich getanzt und war zum ständigen Choreografen des Stuttgarter Balletts aufgestiegen. Von dort wurde er 1995 von Ioan Holender nach Wien eingeladen - ein alerter, junger 34-Jähriger, talentiert, ganz bello ragazzo mit charmantem Akzente.

Er freute sich über den tollen neuen Job, sprühte vor Tatendrang, sah sich immer wieder Produktionen der freien Szene an, initiierte eine "Off-Ballett"-Schiene, zeigte seine ersten eigenen Werke. Diese erwiesen sich als stilistische Mischungen, die an seinem Mentor Hans van Manen genauso orientiert waren wie an dem Neuerer William Forsythe. Allzu progressiv, ließ der in Verona Geborene damals durchblicken, dürfe er nicht sein, das würde in Wien kaum toleriert werden. Tatsächlich reißt sich das heimische Ballettpublikum nicht um Tanzexperimente. Es präferiert bis heute störungsfreien Hochgenuss aus der Welt von wenigstens gestern.

Ein junger Heißsporn mit Ambitionen hat da kein leichtes Leben. Aber Zanellas Ehrgeiz war ohnehin nicht auf eine Revolution des Spitzentanzes ausgerichtet. Er liebte seinen Posten als Ballettdirektor. Anstatt also den Wienern die Sache hinzuschmeißen, fügte er sich geschmeidig ins Geschmäcklerische und begann, große Ausstattungsschinken auf die Rampe zu hieven. Kostüm und Bühnenbild wurden ordentlich aufgefettet und begannen die nicht ganz so glänzende Choreografie zu überstrahlen. Unvergesslich wird etwa seine sprudelnde Kitschorgie Wolfgang Amadé von 1998 bleiben.

Zanellas Interesse für die freie Szene schwand, sein "Off-Ballett" stockte und kehrte schließlich als Charity-Event wieder, mit dem die Oper nun publikumswirksame Zuwendung zu Behinderten demonstrierte. Zanella vermeinte erst, nicht anders zu dürfen, dann glaubte er, nicht anders zu können. Und er bewies das Letztere mit krausen Kostümarrangements wie Aschenbrödel oder Spartacus. Als es hieß, Zanella, der auch die Ballettschule der Staatsoper übernommen hatte, werde den Bewegungsstil der Lipizzaner in der Hofreitschule auf Trab bringen, klang das witzig.

Der Ballettdirektor ließ verlauten, er habe das Reiten immer schon geliebt. Und eines Abends erschien auch ein kunstsinniger Jörg Haider bei einer Zanella-Ballettaufführung. Geraume Zeit später wurde bekannt: Zanella wechselt an die Klagenfurter Seebühne. Und man musste sich fragen, ob ihm noch genug Zeit bleiben würde, sich um die edlen weißen Rosse zu kümmern. Jetzt ist der Apfel am Dampfen. Bleibt die Frage, ob die Vollblüter jemals nach Klagenfurt traben dürfen. (DER STANDARD, Printausgabe, 22./23.01.2005)