Foto: Gerhard Wasserbauer

Foto: Gerhard Wasserbauer
Dietrich Mateschitz hätte ihn eines Tages angerufen, erzählt Jörg Wörther, und hätte ihm gesagt, dass er jetzt, wo er eh gerade nicht so viel zu tun habe, doch auf dem Winterstellgut kochen könne. Dieses Winterstellgut ist ein alter Bauernhof im salzburgerischen Lammertal, in dem zu früheren Zeiten die Pfarrer der Umgebung ihre Pferde überwinterten. Und genau das gedachte Österreichs prominentester Milliardär dort auch zu tun, erwarb das Anwesen vor zwei Jahren mitsamt angeschlossenem Berggasthof und investierte für den Umbau Summen, von denen nur bekannt ist, dass sie sehr, sehr hoch sind.

Die alten Mauern des Hofes wurden ausgehöhlt, neue Gewölbe eingezogen, ein Weinkeller gegraben, der mit alten Ziegeln von Wiener Abrisshäusern ausgekleidet wurde, ein Tanzboden errichtet, ein freistehender Brotbackofen mit angeschlossener Selch hingestellt; für den Innenbereich seines "Winterstellgutes" engagierte der Red-Bull-Boss den über die Landesgrenzen hinaus bekannten, besten Stüberldesigner und legte fest, dass alles besonders authentisch zu sein habe, gleichzeitig aber auch besonders hochwertig. Somit wurden die Stüberltische aus uraltem Birnenholz geschnitten, die Wände mit 200-jährigem Zirbenholz verkleidet, die Bänke nicht mit Alcantara, sondern mit echtem Hirschleder gepolstert - Hütte, aber edel.

Seit Mitte Dezember hat das "Winterstellgut" jedenfalls offen, still und leise wollte man den Betrieb aufnehmen, aber still und leise ist natürlich vergleichsweise schwierig, wenn die Namen Mateschitz und Wörther im Spiel sind. "Am Anfang dachten wir, zwei Leute in der Küche und zwei Leute im Service würden reichen", lacht Roland Neulinger, Jörg Wörthers Restaurantleiter schon zu Zeiten der Villa Hiss, über seine anfängliche Fehleinschätzung, "aber zwei Leute reichen uns schon lange nicht mehr", 60 Gäste müsse er jeden Tag wegschicken.

Was mit Sicherheit nicht nur an der kuscheligen Ausstattung des "Winterstellgutes" und seiner traumhaften Aussicht liegt, sondern auch an der bewusst bodennah gehaltenen Kulinarik, die hier praktiziert wird: keine, oder kaum Luxusprodukte, große Portionen, Gasthauspreise, Gerichte, deren Namen man kennt. Nur halt gekocht von Jörg Wörther, dem immer wieder als besten Koch Österreichs bezeichneten ehemaligen Lieblingsschüler Eckart Witzigmanns.

Das, was er hier koche, sei eigentlich privat, so Wörther, völlig stressfrei und eigentlich nur aus Spaß. Mit dem Gourmet-Zirkus wolle er da heroben auf knapp 1000 Metern gar nichts zu tun haben, sagt er, "hier heroben bin ich vogelfrei, da gibt es keinerlei Hauben- und Sterne-Denken mehr".

Was sich freilich revolutionärer anhört, als es sich auf dem Teller dann tatsächlich darstellt, wo die Klasse nämlich durchaus deutlich zutage tritt: Schon der Salat "Winterstellgut" ist hervorragend, ein erstklassiger Wintersalat mit zarten Fisolen, einer außergewöhnlichen Traubernkernöl-Kürbiskern-Marinade und wunderbar fettem Knoblauchbrot (€ 6,20). Vor allem aber beim Rahmgurkensalat mit Waller zeigt Wörther deutlich, wer da am Herd steht, denn die Zubereitung dieses Fisches beherrscht wahrscheinlich niemand besser als er: von marzipanener Konsistenz und erlesen zartem Aroma, sozusagen ein Süßwasser-Seeteufel, nicht anders als wunderbar (€ 9,80).

Bei den steirischen Weinbergschnecken auf Klachl-Ragout hätten sie eigentlich nicht gedacht, dass das irgendwer bestellen würde, lacht Roland Neulinger, er müsse aber ständig nachbestellen. Kein Wunder, denn abgesehen davon, dass das Gericht fantastisch aussieht und trotz aller Deftigkeit alles andere als vulgär schmeckt, passt es in seiner Urtümlichkeit nun einmal wunderbar hierher auf die Alm und dürfte auch rasch zur Ikone werden (€ 7,60).

Auch nicht gerade von der leichten Abteilung sind die gebratenen Leberknödeln in einem Kürbiskernpesto mit gebratenem Chicorée (€ 8,20), und wenn man dann Masthendl hat, sollte ohnehin noch ganz schön Hunger übrig sein: Dieses Geflügel ist nämlich nicht nur von beeindruckenden Ausmaßen und in Butter fein gebraten, es wird auch in zwei Gängen serviert - um der unterschiedlichen Garzeit vom Brust und Haxel gerecht zu werden. Die Brust zuerst mit Linsen serviert, das Bein mit gebratener Gänseleber, das beste Huhn jedenfalls, das man seit langem bekommen konnte, ein Über-Huhn sozusagen (€ 17,90).

Bis Ende März kocht Jörg Wörther aller Voraussicht noch im "Winterstellgut", bis dahin will er einen Küchenchef für die Gourmet-Hütte gefunden haben und nur mehr die Patronanz für das Projekt übernehmen. Im Juni soll schließlich das andere Wörther-Mateschitz-Projekt starten, das schon seit Längerem mit großer Spannung erwartete Stanitzel-Restaurant in der Salzburger Getreidegasse nämlich, das in weiterer Folge die Welt zum Fingerfood bekehren soll. (Der Standard/rondo/04/02/2005)