Interessant an der gegenwärtigen Pisa-Debatte erscheint mir unter anderem, dass viele, die sich ansonsten vehement gegen die Durchführung von punktuellen Tests wehren, der Pisa-Studie als ebensolchem Test allumfassende Auskunftskompetenz über sämtlichen Sinn und Unsinn unseres über Dekaden - und nicht nur unter ÖVP-Ministern - gewachsenen Bildungssystems zuschreiben.

Mein Zugang ist, dieses gewachsene Bildungssystem mit großem Augenmerk auf sämtliche vorliegenden wissenschaftlich fundierten Studien an die Herausforderungen der Zeit anzupassen - ohne ideologische Scheuklappen, mit Fokus auf die Schülerinnen und Schüler. Dabei ist es notwendig, auch über organisatorische Faktoren zu sprechen - etwa über die bestehende äußere Differenzierung in unserem Bildungssystem. Und hier stellt sich die Frage, ob man mutwillig die Zerschlagung vieler hervorragender Hauptschulen (immerhin kommen mehr als 50 Prozent der Maturantinnen und Maturanten über die Hauptschulen) und guter Gymnasien in Kauf nehmen will, um aus rein ideologisch geprägten Motiven eine Einheitsschule aller Jugendlichen auf ein System zu stülpen - siehe Josef Broukals Gastkommentar vom 1. Februar -, das für eine solche Umwandlung nicht vorbereitet ist - weder hinsichtlich der gemeinsamen Lehrerausbildung, noch was das Raumangebot an den Schulen oder die Kompetenzverteilung zwischen den Gebietskörperschaften betrifft.

Wenn wir jedoch weiterhin ein differenziertes Bildungssystem wollen, das dem jeweiligen Schüler nach Neigung, Talent und Interesse die bestmögliche individuelle Förderung bieten kann, muss die Differenzierung auch wirklich stattfinden - oder man muss über Alternativen ernsthaft nachdenken. Große Probleme gibt es diesbezüglich insbesondere in den städtischen Ballungszentren, wo bereits 50 Prozent der Jugendlichen eines Jahrganges die AHS besuchen und in den Hauptschulen zumeist auf eine innere Differenzierung verzichtet wird. Solche Herangehensweisen stellen nicht nur den Sinn der Differenzierung insgesamt infrage, sondern auch die Validität der Abschlüsse: Die Vergleichbarkeit von Zeugnissen an Hauptschulen auf dem Land und in der Stadt ist nicht mehr gegeben.

Die Möglichkeiten stehen offen: Zerschlagung eines gewachsenen, großteils funktionierenden Systems auf Kosten vieler, oder dort ansetzen, wo es Probleme gibt.

Wesentlicher als eine Organisationsdiskussion erscheint mir aber weiterhin eine Debatte über mehr Qualität im Unterricht - und diese muss bei der Auswahl und bei der Aus- und Weiterbildung der Lehrerinnen und Lehrer beginnen. Schule hat in den vergangenen Jahren immer mehr Erziehungsaufgaben mitübernommen - Aufgaben, die der Staat als Rahmenbedingungen für mehr Vereinbarkeit von Familie und Beruf zur Verfügung stellt, unter dem wichtigen Gesichtspunkt der Wahlmöglichkeit für die Eltern.

Um diese neuen Aufgaben und weitere Herausforderungen entsprechend meistern zu können, ist es sinnvoll, eine gemeinsame Grundausbildung für alle Lehrerinnen und Lehrer anzubieten, die die großen Pluspunkte der bisherigen getrennten Lehrerausbildung (berufspraktische und pädagogisch-didaktische Komponente an den Pädagogischen Akademien sowie fachspezifische Ausbildung an Universitäten) vereint.

Dies kann nur unter starker Kooperation der neu zu bildenden Hochschulen für pädagogische Berufe mit den Universitäten geschehen. (DER STANDARD-Printausgabe, 4.2.2005)