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Nädchen lesen deutlich besser, Buben haben nur kleinen Vorsprung in Mathematik

Foto: APA/epa/Zbraniecki
Wien – Hat die Pisa-Studie die Koedukation k.o. geschlagen? Oder liegen die Ursachen für das unterschiedliche Abschneiden der Mädchen und Buben woanders als im gemeinsamen Unterricht?

Die Fakten laut Pisa-Studie: Im Lesen gibt es "große, steigende Differenzen zugunsten der Mädchen, in Mathematik kleinere, schwindende zugunsten der Burschen". In den Naturwissenschaften haben Österreichs Mädchen, anders als im Gros der übrigen Länder, einen Vorsprung gegenüber den Buben.

Die SPÖ drängt als Reaktion auf diese Geschlechterschieflagen auf "geschlechtsspezifische Förderung in der Schule". SP-Bildungssprecher Erwin Niederwieser plädiert im STANDARD-Gespräch für "projektweise getrennten Unterricht", die Kinder könnten in geschlechterhomogenen Gruppen ein paar Wochen an einem spezifischen Unterrichtsprojekt arbeiten und dann wieder gemeinsam lernen. Von einer generellen Abkehr von der Koedukation hält Niederwieser nichts.

SP-Frauenchefin und Zweite Nationalratspräsidentin Barbara Prammer forderte am Mittwoch zudem in jeder Schule eine Gender- oder Gleichstellungsbeauftragte, die sich etwa Gedanken machen soll, wie der Anteil der HTL-Schülerinnen auf 50 Prozent gesteigert werden könne. "Geschlechtersensibilität" müsse Teil der Lehreraus- und -fortbildung sein.

Auch Grünen-Frauensprecherin Brigid Weinzinger will die "geschlechtsspezifische Förderung innerhalb der Koedukation in bestimmten Fächern forcieren: Der getrennte Unterricht auf gewisse Zeit hat beispielsweise ein Stärkung von Mädchen in Mathematik gebracht". Das sei eine der Lehren aus der Pisa-Studie. Aber auch die "Entrümpelung der Schulbücher von althergebrachten Stereotypen" gehöre dazu. In Richtung Bildungsministerin Elisabeth Gehrer (VP) meinte Weinzinger: "Aber ohne Wille zur Reform geht gar nichts."

VP-Bildungssprecher Werner Amon wiederum beurteilt getrennten Unterricht "sehr skeptisch", befürwortet aber "Versuche". Er glaubt eher, "dass die Pädagogen die Kinder nicht geschlechterspezifisch fördern", und will bei der Ausbildung sensibilisieren.

"Man kann nicht geschlechterneutral unterrichten", meint Sozialwissenschafterin Edit Schlaffer: "Aber Geschlechterkompetenz kann gelernt werden. Das Thema muss in die Lehrerausbildung." Getrennter Unterricht in einzelnen Fächern habe durchaus Sinn – als "Transitstadium. Es geht viel um die Präsentation der Inhalte, um Identifikationsmöglichkeit", so Schlaffer. Die Koedukation, die es seit 1975 gibt, sei "eine wunderbare Form des Unterrichts, die selbstverständlich sein sollte. Nur muss man geschlechtersensible Aspekte stärker berücksichtigen."

(Lisa Nimmervoll/DER STANDARD-Printausgabe, 17.3.05)