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Foto/Reuters/Rupprecht
Da dürfte SP-Chef Alfred Gusenbauer das Ministrantenherz auf der Zunge getragen haben, als er mit Kardinal Christoph Schönborn ein "Schulpaket" ausgehandelt hat. Bekanntlich streiten SPÖ und ÖVP seit Längerem um eine Aufgabe der Zweidrittelmehrheit in Schulfragen, wobei die rote Argumentationslage insofern ins Unübersichtliche abzurutschen droht, als das seinerzeitige Angebot Gusenbauers, ganz auf die Zweidrittelmehrheit zu verzichten, immer wieder korrigiert wurde: Hieß es zunächst, in diesem Fall müsse der kostenlose Schulunterricht außer Frage gestellt bleiben - niemand hatte von der ÖVP ernsthaft etwas anderes vor -, so verwundert nun die Wahl des Ansprechpartners, den Gusenbauer mit dieser eher weltlichen Angelegenheit befasst.

Vermutlich gibt es in der ÖVP gewichtige Stimmen, die sich in der Schulfrage lieber an die Kirche als an die SPÖ wenden würden. Dass sie das nicht laut sagen, hat wohl auch mit dem Konkordat zu tun, das zur allgemeinen Zufriedenheit der Vertragspartner regelt, wer sich worum kümmert: der Staat beispielsweise nicht um die Besetzung hoher Kirchenämter und der Klerus nicht um Schulfragen, die über die Präliminarien dieses Vertrages bezüglich des Religionsunterrichts hinausgehen. Möglicherweise darf Gusenbauer nun damit rechnen, dass sein Vorstoß von einigen als Anregung aufgenommen wird, die der oberste Genosse so sicher nicht gemeint haben kann.

Vielleicht hat Gusenbauer auch bloß aus doppelter Nostalgie gehandelt und neben der eigenen Biografie auch sein großes Vorbild Bruno Kreisky ins Auge der Erinnerung gefasst: Der erntete mit seiner versöhnlichen Haltung der Kirche gegenüber einen prallen Sack katholischer Stimmen, als es um die absolute Mehrheit ging. Doch diese Zeiten sind in jeder Hinsicht vorbei. (DER STANDARD, Printausgabe, 29. März 2005)