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Auch die Berufswahl entscheidet über die Gehaltsschere.

Foto: REUTERS/Yiorgos Karahalis

Es sind die Sechziger, als Peggy Olson aus der populären Serie "Mad Men" ihren Mut zusammennimmt und eine Forderung nach mehr Gehalt kurz und knapp mit "Equal Pay!" begründet. Durch dieses einfache Argument friert ihrem Chef Don Draper kurz das süffisante Lächeln ein, das er gegenüber Frauen gern aufsetzt. Ein Einwand will dem überraschten Draper nicht einfallen, der zwar durchaus über Gerechtigkeitssinn verfügt, aber – ganz Kind seiner Zeit – von allein nie auf die Idee gekommen wäre, seiner einzigen weiblichen Texterin gleich viel zu bezahlen wie ihren männlichen Kollegen. 

Equal Pay heißt es auch wieder am 19. März – ganz ohne Überraschungsmoment. Sogar zweimal im Jahr wird in Österreich auf die offene Gehaltsschere aufmerksam gemacht. Das internationale Frauennetzwerk "Business and Professional Women" betreibt zusätzlich zu dem Termin im Herbst  auch im Frühjahr Bewusstseinsarbeit. Der in Arbeitstage umgerechnete Prozentwert, den Frauen weniger verdienen (in Österreich sind es derzeit 21,26 Prozent) soll verdeutlichen, wie viel länger Frauen für das gleiche Gehalt im neuen Jahr noch arbeiten müssen, das Männer schon mit Ende des Vorjahres beisammen hatten. Im Herbst wird der Tag zum Equal Pay Day, an dem Männer das Gehalt erreicht haben, für das Frauen noch bis Jahresende weiterarbeiten müssen.   

Frühjahr oder Herbst, zwölf oder 40 Prozent

Man kann sich also aussuchen, welchen Stichtag man eindrücklicher findet. Die viel wichtigere Frage ist aber, welche Prozentzahl Ungerechtigkeit adäquat abbildet.

Die am  häufigsten genannte Zahl über 21 Prozent berücksichtigt die Vollzeiteinkommen aller Berufsgruppen. Oder die völlig "bereinigten" 12,6 Prozent: Der Faktor unterschiedlich entlohnter Berufsgruppen wird ebenso berücksichtigt wie Alter, Bildung, Teilzeit und Dauer der Unternehmenszugehörigkeit. Bleiben gute zwölf Prozent – das hört sich gleich nicht mehr so dramatisch an. Sämtliche beobachtbare Faktoren, die die Lohndifferenz erklären können, sind rausgerechnet. Was bleibt, ist der Faktor Geschlecht.

 Unbezahlte Arbeit zählt nicht 

Doch was bildet den Faktor Geschlecht in der Arbeitswelt und vor allem bei der Arbeitsteilung eigentlich ab? Geben darüber nicht vor allem "unbereinigte" Zahlen Aufschluss? 40 Prozent Lohndifferenz, wenn Teilzeit, Geringfügigkeit und Berufsgruppe nicht berücksichtigt werden - für Illustrationszwecke von Gehaltsdiskriminierung eine eher unbeliebte Zahl. Grund für diese Unbeliebtheit gibt es keinen. Denn für ein umfassendes Bild ist gerade diese Zahl zentral - jenseits von beliebten Streitfragen, was denn nun vergleichbare Tätigkeiten seien, was eigentlich "gleichwertig" bedeutet oder wie viel geschlechtsspezifische Sozialisation in der Wahl der Ausbildung oder des Berufes nun wirklich steckt.

Diese Zahl zeigt schlicht und einfach, dass Geschlecht noch immer eine große Rolle dabei spielt, über wie viel Einkommen ein Mensch verfügt - unabhängig davon, wie viel man tatsächlich arbeitet. Denn es dürfte nur für eine kleine Gruppe teilzeitarbeitender Frauen (in Österreich sind es 45 Prozent) zutreffen, dass sie ihren Job nach ihrer Halbtagstätigkeit schon erledigt haben. Pflegearbeit, Kinderbetreuung, Erziehung, Hausarbeit - unbezahlte Arbeit spielt in den Einkommensvergleichen zu Unrecht eine völlig untergeordnete Rolle. Hat sie nicht maßgeblichen Einfluss auf die Pensionen? Oder auf die Chancen auf dem Arbeitsmarkt in der Zeit nach der Familienarbeit? Auf den vollzeitarbeitenden Partner, der von bestimmten familiären Aufgaben ausgeschlossen und auf seine Rolle als "Ernährer" reduziert wird? Doch, hat sie.

Ob im Frühjahr oder Herbst

Diese 40 Prozent zeigen nicht weniger, als dass das biologische Geschlecht neben sozialen Kategorien noch immer massiv das Leben von Menschen strukturiert. Viele Jahrzehnte nachdem die ersten Forderungen nach Equal Pay für Irritierung sorgten, hätte das durchwegs Empörungspotenzial. Egal, ob im Herbst oder im Frühjahr. "Bereinigt" hin oder "unbereinigt" her. (Beate Hausbichler, dieStandard.at, 18.3.2014)