Es gehe längst nicht mehr um die Frage, ob Europa mehr Flüchtlinge aufnehmen wolle - sondern es gehe um den humanitären Preis, den es angesichts der anschwellenden Fluchtbewegungen zu zahlen bereit ist: Dieser Einschätzung der deutschen Flüchtlingshilfsorganisation Pro Asyl kann man sich in Hinblick auf die Entwicklungen vor den europäischen Mittelmeerküsten nur anschließen.

Rund 50.000 Menschen wurden seit Jahresbeginn allein vor Italien aus großteils seeuntüchtigen Booten gerettet, um 6000 mehr als im gesamten Jahr davor, mehr als 5200 Menschen waren es während der Pfingstfeiertage: Die verzweifelten Menschen aus Syrien, Somalia, Afghanistan, Algerien und anderen Krisenregionen überwinden die Abschottung des Alten Kontinents unter Einsatz ihres Lebens - doch die ach so grundrechtsbewusste EU reagiert darauf nicht.

Tatsächlich basiert der lebensrettende Marineeinsatz vor Italien, Mare Nostrum, auf rein nationaler italienischer Initiative - und im Meer vor Griechenland gibt es gar keine vergleichbare Aktion. Angesichts des Fehlens europäischer Koordination für derlei Einsätze ist es bezeichnend, dass es zu Pfingsten US-Schiffe waren, die der italienischen und maltesischen Marine beim Auffischen von Flüchtlingen zu Hilfe kamen. Die USA als Helfer in Europas Flüchtlingskrise: Das diesbezügliche fortgesetzte Totstellen treibt die Europäische Union zunehmend in den menschenrechtlichen Bankrott. (Irene Brickner, DER STANDARD, 9.6.2014)