Gerald Finley singt auf Tschechisch. "Eine neue Sprache zu sprechen ist schon schwierig, in ihr zu singen ist aber noch viel schwieriger."

Foto: Regine Hendrich

STANDARD: Eigentlich jeder, der "Das schlaue Füchslein" gehört hat, ist von dem Werk bezaubert. Wie sehen Sie diese Oper?

Finley: Das Stück ist für mich eine kluge, zurückhaltende Feier des Lebens, des Kreislaufs des Lebens. Für mich geht eine heilsame Wirkung von ihm aus. Ich habe den Förster erstmals 2003 in London gesungen, auf Englisch. Nur kurz davor ist mein Vater gestorben. Die Musik und die Geschichte dieser Oper haben mir geholfen, mir bewusst zu machen, dass schmerzvolle Erlebnisse und Abschiede zum Leben dazugehören. Wir werden alle einmal zu einem Ende kommen, aber woanders fängt ein neues Leben an.

STANDARD: Sie singen den Förster erstmals auf Tschechisch. War es schwer, den Text zu lernen?

Finley: Es war sehr schwer. Eine neue Sprache zu sprechen ist schon schwierig; in ihr zu singen ist aber noch viel schwieriger. Tschechisch ist eine sehr rhythmische Sprache: viele Betonungen, starke, lange Vokale. Der Sinn der Wörter kann sich komplett verändern, wenn man die Vokale falsch ausspricht: Da sagt man dann eher seltsame Dinge ...

STANDARD: Janáceks Text und die Art, wie er diesen musikalisch umsetzt, wirken sehr realitätsnah.

Finley: Ja, die Sprache ist sehr natürlich, sehr normal. Es gibt viele Pausen zwischen den Sätzen - und auch in einem Satz. Aber man kann es nicht im Gesprächston singen, denn dann kommt man nicht durch das Orchester. Man muss es richtig auszusingen, es aber gleichzeitig möglichst natürlich erscheinen lassen.

STANDARD: Eine Herausforderung, bei der Ihnen sicher Generalmusikdirektor Franz Welser-Möst geholfen hat. Er hat viel Erfahrung mit Janácek, auch hier am Haus.

Finley: Und er hat das Werk auch gerade in Cleveland gemacht. Welser-Möst hat einen sehr entspannten Zugang zu dieser Musik, er drückt nicht aufs Tempo. Er gibt der Musik Zeit, Reichtum zu offenbaren und dem Staatsopernorchester die Möglichkeit, mit dem wundervollen Klang zu glänzen.

STANDARD: Und wie war die Zusammenarbeit mit Otto Schenk?

Finley: Traumhaft, wirklich. Es gibt in diesem Stück ja viele Tiere. Und Schenk hat für jeden Charakter kleine Bewegungen gefunden, um die Eigenschaften deutlich zu machen. Diese Details geben dem Ganzen Lebendigkeit. Und er passt da ganz genau auf! Wenn man bei den Proben eine kleine Geste vergisst, meldet er sich sofort. Normalerweise macht man als Opernsänger leider zu oft relativ lange, stereotype Gesten. Das geht bei Otto Schenk nicht.

STANDARD: Die Geschichte des Füchsleins spielt sich hauptsächlich im Wald ab, der Förster fühlt sich als der Herr dieses Waldes. Die Tiere sehen das aber nicht alle so. Und die Füchsin ist sowieso ein erfrischend eigensinniges Wesen.

Finley: In ihr ist die Wildheit eines Tiers. Als der Förster sie am Anfang der Oper mit nach Hause nimmt, ist sie noch jung, und junge Tiere haben alle etwas Niedliches, Süßes. Aber sie wird größer, und es erwacht in ihr die Brutalität eines Tieres, das sich selbst und seinen Lebensraum verteidigt. Natürlich haben alle Tiere in dieser Oper auch menschliche Züge, aber in diesem Aspekt der Wildheit ist sie ganz Tier.

STANDARD: Unter den Tieren im Wald geht es wirklich sehr menschlich zu: Da wird geklatscht, getratscht und moralisiert. Als sich die Füchsin in den Fuchs verliebt, muss sofort geheiratet werden.

Finley: Genau. Die Moralvorstellungen der Menschen sind da eins zu eins zu finden. Man muss sich ihnen fügen, sonst bekommt es einem nicht gut. Sogar die Füchsin fügt sich.

STANDARD: Im letzten Akt sitzt der älter gewordene Förster im Wald, preist die Schönheit der Natur und denkt über sein Leben nach. Sie sind 54 Jahre alt. Kennen Sie solche Momente des Zurückblickens?

Finley: Oh ja - sei es an Erlebnisse, die als Kind prägend waren, an die erste Liebe, an die Chancen, die man vertan oder an Gelegenheiten, die man genützt hat. Ich bin von Kanada nach England gezogen, ich habe dort eine Familie gegründet und Kinder bekommen ... da gibt es einiges, woran ich zurückdenken kann.

STANDARD: Ein großes Thema der Oper ist der Zauber der Natur. Können Sie etwas damit anfangen?

Finley: Absolut. Ich bin in Kanada ganz nah an der unberührten Natur aufgewachsen. Meine Eltern haben ein Grundstück gekauft mit viel Wald und einem einsamen See. Da war nichts außer dem Geräusch des Windes in den Bäumen. Und diese Liebe zur Natur ist geblieben: Diesen August werde ich mit meinen zwei Söhnen den Kilimandscharo besteigen. Sie werden erwachsen, sie müssen jetzt Entscheidungen fällen, in welche Richtung ihr Leben geht. Ich hoffe, wir können uns dort darüber in Ruhe unterhalten. (Stefan Ender, DER STANDARD, 14.6.2014)