Respektable Arbeit: Simon Stögers "The Production of Happiness" (Bis 14. 6.).

Foto: Aichmayr

Wien - Was die Zukunft in der zeitgenössischen Choreografie bestimmen könnte, ist an dem "Werkstück"-Abend abzulesen, den das Tanzquartier veranstaltet. Diesmal sind Uraufführungen dreier in Wien lebender Tanzschaffender zu sehen: Marja-Leena Hirvonen, Costas Kekis und Kai Simon Stöger. Diese Choreografen folgen unterschiedlichen Ansätzen. Für eine Überraschung sorgt Hirvonen im Solo Origin/Sin/Body, da sie verblüffend distanzlos zeigt, dass die dem Christentum geschuldete Last des "sündigen" Körpers auch in der jungen Generation noch Thema ist.

Als schuldbeladen inszeniert sich Hirvonen über die Figur einer mit Schmutz beschmierten Frau: Aus dem Fluch der Erbsünde ward sie geboren, und sie hofft auf eine - in dem Stück nicht stattfindende - Erlösung. Das ist so pathetisch, wie es klingt. Gerade deswegen vermittelt die Arbeit einen unverstellten Einblick in die Verunsicherung, die gerade in der westlichen Kultur diagnostiziert wird. Das tun, wenn auch anders, auch die beiden anderen Werke des Abends. Costas Kekis führt sein konzeptuell angelegtes Stück vivid vom besinnungslosen Spektakel zur Anregung der Vorstellungskraft im Publikum. Was mit einer Lichtershow im Trockeneisnebel beginnt, geht in eine Soloperformance über, in der Kekis mit dem Rücken zum Publikum stehend ein Experiment startet.

Er lädt ein, die Augen zu schließen, beschreibt eine imaginäre Performance. Das ergibt ein Stück im Stück, das den Riss zwischen realer Aufführung und realer Imagination deutlich macht. Dabei beeinträchtigt das Lichter-Remmidemmi die für das Folgende nötige Konzentration jedoch erheblich. So rührt Kekis an einen wunden Punkt in unserer durchamüsierten Gegenwart: die Aufmerksamkeitsstörung. Dementsprechend schwierig ist in unserer zerfahrenen Kultur etwas, das Kai Simon Stöger The Production of Happiness nennt. In dem Trio erscheint alle Entspannung ausgesetzt. Drei von verschiedenen geschlechtlichen Selbstdefinitionen geprägte Frauen müssen einander mit Mund-zu-Mund-Beatmung vor dem Verstummen bewahren und hängen sich anschließend kopfüber an Stricken auf. So pendeln sie weltverlassen in der Bühnenmitte bis zum Ende des Stücks. Die menetekelhaften Statements in den respektablen Arbeiten sind alarmierend. Sie sollten nicht ignoriert werden. (Helmut Ploebst, DER STANDARD, 14.6.2014)