Katharina Kucharowits: "Ich muss nicht dankbar sein, wenn ich einen Job habe."

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"Ich muss für einen Job nicht dankbar sein", sagt SPÖ-Jugendsprecherin Katharina Kucharowits. Gerade Jungakademikerinnen müssten sich häufig mit einer Entlohnung zufriedengeben, die nicht ihrer Qualifikation entspreche. Dagegen wolle sie ankämpfen, erklärt Kucharowits im Gespräch mit derStandard.at. Gefragt, ob sich betroffene Praktikanten etwa mit einem Boykott wehren sollten sagte Kucharowits: "Sicher, das wäre cool. Ob es realistisch ist, weiß ich nicht."

derStandard.at: Sie sind Jugendsprecherin der SPÖ im Parlament. Wie viele Praktika mussten Sie machen, um an diesen Job zu kommen?

Kucharowits: Ich hatte Glück, ich musste kein Praktikum machen. Ich habe während meines Studiums gearbeitet, aber nie als Praktikantin. Aber ich kenne unglaublich viele Leute, die jetzt den Bachelor machen, und es ist unfassbar, wofür sich manche nach dem Studium bewerben. Es bleibt ihnen wenig übrig. Und dagegen muss man ankämpfen.

derStandard.at: Es machen also viele nach dem Studienabschluss noch ein Praktikum. Was ist der Grund dafür?

Kucharowits: Weil ihnen in vielen Bereichen kein Job angeboten wird. Es gibt Branchen, die da sehr speziell sind. Wir haben im Medienbereich das Problem, wir haben auch im Kulturbereich das Problem. Oder in der Architekturbranche. Die Arbeitsleistung, die da verrichtet wird, ist vollwertig, aber die Entlohnung ganz und gar nicht. Praktika sind hier völlig unterbezahlt oder manchmal sogar unbezahlt. Es gibt sogar das Phänomen, dass du für ein Praktikum etwas bezahlen musst.

derStandard.at: Oft wird gesagt, dass junge Akademiker und Akademikerinnen auch deshalb prekär beschäftigt sind, weil es seit der Wirtschaftskrise diese Jobs einfach nicht mehr gibt. Gleichzeitig will die Regierung die Akademikerquote steigern. Wie passt das zusammen?

Kucharowits: Die Jobs wären schon da. Es geht einfach um die Bezahlung und die Kategorisierung von Ausbildungsverhältnissen und Arbeitsverhältnissen. Wenn ich ein fertiges Studium habe, steige ich normalerweise in ein Arbeitsverhältnis ein. Es gibt Unternehmen, die handhaben das korrekt, das muss man schon sagen. Problematisch ist es dort, wo Unternehmen es sich sehr leicht machen. Die Rede ist von befristeten Arbeitsverhältnissen. Dass Leute nicht ein Praktikum machen, sondern von einem zum anderen hüpfen, ist mehr die Regel als die Ausnahme. Und das dürfen wir nicht so hinnehmen. Jeder hat das Recht, für seine Arbeit auch bezahlt zu werden.

derStandard.at: Im öffentlichen Dienst müssen Praktika seit Anfang des Jahres besser bezahlt werden. Was ist der Anreiz für Unternehmen in der Privatwirtschaft? Läuft man mit einer solchen Forderung nicht Gefahr, dass Unternehmen erst gar keine Praktikanten mehr einstellen und als weitere Konsequenz Uni-Absolventen das Handwerk gar nicht mehr lernen?

Kucharowits: Wir reden von fertig ausgebildeten Menschen. Die haben ihren Beruf studiert.

derStandard.at: An der Uni bekommt man doch häufig nur den theoretischen Background.

Kucharowits: Aber es ist doch immer so, dass ich, wenn ich in ein Unternehmen einsteige, die Struktur noch nicht kenne. Das ist in jedem Bereich oder jeder Branche gleich. Man kann ja nicht von Anfang an alles können. Nur: Was berechtigt Unternehmen dazu, Neueinsteigern keine Einstiegsgehälter zu bezahlen wie allen anderen auch? Ich muss nicht dankbar sein, wenn ich einen Job habe. Unternehmen brauchen gut ausgebildete und motivierte Leute – ich glaube nicht, dass deshalb plötzlich keine Leute mehr eingestellt werden würden.

derStandard.at: Wie können sich die Betroffenen wehren? Mit einem Praktikumsboykott?

Kucharowits: Sicher, das wäre cool. Ob es realistisch ist, weiß ich nicht. Ansonsten ist es mir wichtig, den Leuten den Rücken zu stärken.

derStandard.at: Was kann der oder die Einzelne tun, um sich gegen das System zu wehren?

Kucharowits: Viele trauen sich nicht, und ich kann das verstehen. Sie fürchten sich, dass sie, wenn sie etwas sagen, nirgendwo mehr einen Job bekommen. Das heißt, man hat entweder die Möglichkeit, sich an die Arbeiterkammer oder die Gewerkschaft zu wenden, wenn man einen Dienstvertrag hat und man schlecht bezahlt wird. Oder es gibt diese anonyme Anlaufstelle watchlist-praktikum.at, die wir präsentiert haben. Wo wir sagen: Du kannst dich an diese Plattform wenden. Sie unterstützt dich und schaut sich die Unternehmen genau an, die dich angestellt haben. Man kann alleine sehr wohl etwas tun. (Lisa Breit, derStandard.at, 9.7.2014)