Mit einer teuren Räumung durch die Polizei setzte der Rechtsstaat die von Repressionen begleiteten Anliegen zweifelhafter Immobilienbesitzer durch. Die Besetzer skandierten laut "Pizzabrot statt Wohnungsnot!"

Die Operation "Pizzeria Anarchia" war keine polizeiliche Glanzleistung. Wenn sieben Prozent der österreichischen Exekutivgewalt samt Panzerwagen und Hubschrauber an einem Ort zusammengezogen werden, wirft das in der Öffentlichkeit kritische Fragen auf. Den Journalisten, die diese Fragen vor Ort stellten, begegnete die Polizei nicht mit der größten Informationstransparenz. Dass gerade einmal 19 Hausbesetzer einen übermächtigen und hart arbeitenden Polizeiverband von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang beschäftigten, sorgte bei manchen für Häme.

Dass es den Aktivisten sogar gelang, auf einem Rollwagen bereitstehende Polizeiabsperrgitter seelenruhig zur eigenen Verbarrikadierung aufzustellen - ein "logistischer Fehler", wie die Operationsleitung später eingestand -, war symptomatisch für die teilweise Überforderung der Polizei. Mit Masse statt Plan hat die Exekutive schon beim Fest der Freiheit und beim Akademikerball zu beeindrucken gewusst. Und im Zweifel scheint in Wien bei heiklen Einsätzen die Rammbockmentalität immer noch über die Kommunikationsbereitschaft zu siegen.

Erst die Mieter, dann die Profiteure

Dennoch ist die Polizei in diesem Fall mit Abstand nur zweiter Adressat für Kritik. Mit ihrem Bleiben und der dadurch provozierten publicityträchtigen Räumung wiesen die Besetzer auf untragbare Methoden der Mietervertreibung hin, die Immobilienunternehmen in dieser Stadt praktizieren. "Punks" in ein Haus zu holen, um Altmieter mit preiswerten Mietverträgen zu vergrämen, ist skandalös. Um an leere Häuser für lukrative Immobilienprojekte zu gelangen, soll die Castella GmbH noch zu weit skrupelloseren Methoden gegriffen haben - von Mietern an verschiedenen Stellen an die Öffentlichkeit gebracht.

Trotzdem sollte man Immobilienentwickler an dieser Stelle nicht pauschal aburteilen. Es spricht nichts dagegen, die Wiener Wohnsubstanz vom Substandardlevel mit Küchenduschen und Gangtoiletten in lebenswerte Wohnqualität zu überführen. Es ist auch legitim, damit sein Einkommen zu bestreiten. Das Ergebnis muss aber zuallererst den Mietern dienen und erst dann den potenziellen Profiteuren. Dafür muss es klare Regularien und Durchsetzungsstrategien geben.

Durchlaufbesitzer mit fragwürdigen Methoden

Viele Menschen in der Stadt können nicht mehr auslegen, als sie derzeit für teils jahrzehntealte, günstige Mietverträge in Substandardwohnungen bezahlen. Durch die in den vergangenen Jahren auch im internationalen Vergleich deutlich gestiegenen Wiener Wohnkosten fallen die Gewinnspannen bei Neuprojektierungen so hoch aus, dass wie in der Mühlfeldgasse 12 manche Durchlaufbesitzer mit Nachdruck zu unlauteren Mitteln greifen, um diese Menschen loszuwerden. Gleichzeitig stehen in Wien zehntausende Wohnungen als Spekulationsobjekte leer.

Wie man Mietern um leistbares Geld eine adäquate Wohnsituation bieten kann, ist die eine Frage, über die der Gesetzgeber und die Wiener Wohnpolitik intensiver nachdenken müssen. Warum man hemmungslose Spekulanten in dieser Stadt fröhlich fuhrwerken lässt, ist die andere. (Michael Matzenberger, derStandard.at, 29.7.2014)