Salzburg - Schellenbaum und Türkentrank. Pyramiden, Palmen, Haremsdamen ... Mozart war nicht der Erste, der in eigene Kompositionen Versatzstücke einbaute, die er für "türkisch" hielt. Der romantisierende Blick des Okzidents auf den Orient im 18. und 19. Jahrhundert hat sich in der bildenden Kunst ebenso niedergeschlagen wie in der Musik. Ein Meilenstein interkulturellen Dialogs war ein musikologischer Kongress im Jahre 1932 in Kairo mit namhaften Komponisten und Musikwissenschaftern des Westens und des Ostens.

Die Ergebnisse wirken bis heute: Man habe in Nahost "nicht nur Maßnahmen getroffen, die eigene Tradition stärker zu pflegen und erstmals zu notieren, sondern auch eine Reihe von Symphonieorchestern gegründet". Die musikalischen Kulturen liefen in Kairo seither parallel: So analysiert der Musikphilosoph Reinhard Kager im Programmheft zum Konzert "Neue Klänge aus Istanbul und Kairo" in der Reihe "Salzburg Contemporary".

Werke von drei Komponisten und einer Komponistin aus dem "Osten" und von einem Komponisten aus dem "Westen" wurden in der Kollegienkirche vom Österreichischen Ensemble für Neue Musik und Mitgliedern des Experimentalstudios des SWR unter der Leitung von Titus Engel gespielt. Hossam Mahmoud brachte in der Kollegienkirche ein weiteres Werk zur Uraufführung: Tarab 5 ist eine große, zwischen Apsis und Orgelempore schwebende Meditation. Zwischen Hörnern und Bassflöten vorn im Zentralraum und Streichern und Orgel hinten oben auf der Empore entwickelte sich ein klang- und spannungsvoller Dialog.

Der Komponist Amr Okba "erzählt" in Rhadopis. Roman für großes Ensemble innerhalb der Tonalität verbleibend, wie individuelles Glück an politischen Strukturen scheitert. Gewidmet ist dieses Auftragswerk der Salzburger Festspiele den Märtyrern des Tahrir-Platzes vom 25. Jänner.

Kesik - Trennung, Schnitt - nennt die türkische Komponistin Zeynep Gedizlioglu ihr Stück für zwölf Instrumente. Die Solo-Oboe transportiert keine Folklore, weckt aber innerhalb des streng konzipierten dynamischen Werkes farbkräftige orientalische Assoziationen. Samir Odeh-Tamimi und Marc Andre haben ihre Werke Cihangir und üg für Ensemble und Elektronik 2008 im Rahmen des Projekts "into Istanbul" des Siemens Arts Program direkt der Stadt am Bosporus abgelauscht: eine moderne Großstadt porträtiert Odeh-Tamimi.

Das vielleicht klischeehafte - aber halt doch so verlockende - Bild der orientalischen Stadt malt Andre. Dass es keinen Grund gibt, sich vor dem "Fremden" zu fürchten, vermitteln beide. Solche Botschafter brauchen die Länder und Nationen. (Heidemarie Klabacher, DER STANDARD, 2.8.2014)