Salzburg - "Bedecke deinen Himmel, Zeus": Spott und Hohn gießt Prometheus über den Göttervater aus. Wenn Christian Gerhaher diese Goethe-Verse in der Schubert-Vertonung singt, zieht man den Kopf ein. Denn dass der Göttervater im Zorn ein paar Blitze schleudert, ist nicht unwahrscheinlich - angesichts der beißenden Ironie, die der Sänger in diese Zeilen zu legen weiß.

Dennoch ist der Held im Lied Prometheus D 674 in der Interpretation von Christian Gerhaher nicht nur ein Rebell aus jugendlichem Trotz. Hier spricht ein Mensch, der sein Hadern mit den Gottoberen nach langem Sinnen formuliert: "Hast du die Schmerzen gelindert je des Beladenen?"

"Goethe bei Schubert und Rihm" stand im Zentrum des Festspiel-Liederabends von Christian Gerhaher und Gerold Huber. Zwischen 2004 und 2007 hat Wolfgang Rihm insgesamt 13 Goethelieder vertont, sechs davon standen im Haus für Mozart auf dem Programm: Das sind Lieder, die inhaltlich im Gepränge des Sinnspruchs, des Aphorismus zur Lebensweisheit daherkommen. Doch durch die doppelte Leichtigkeit in der Textbehandlung - durch den Komponisten und seinen Interpreten - verloren diese späten Goethe-Texte aus 1827 ihre altväterische Steifheit und gaben durchaus aktuellen Rat: "Willst du dir ein gut Leben zimmern, musst ums Vergangne dich nicht bekümmern." Zur Erstaufführung brachten Gerhaher und Huber Wolfgang Rihms jüngste große Goethe-Vertonung Harzreise im Winter.

Im Schubert-Teil gab es Gedichte, die schon im Text so viel Musik tragen, dass jede Vertonung Gefahr läuft, Verdoppelung zu sein. Den wundersam schwebenden Nachtgesang D 119 hat schon der Textdichter als Rondo angelegt. Gerhaher hat daraus kein Schlummerlied gemacht. Er hat, in Tempo und Diktion ganz unsentimental, die Gewissheit vermittelt, dass Friede möglich ist.

Präzise, klar, bruchlos im Piano wie im Forte führt Gerhaher seine Stimme über alle Lagen. Ohne Kraftaufwand weiß er die Intensität des Ausdrucks zu steigern: eine Sternstunde der Liedkultur. Danach erhielt Gerhaher die Nachtigall, den Sonderpreis der deutschen Schallplattenkritik. (Heidemarie Klabacher, DER STANDARD, 7.8.2014)