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Stellt sich Fragen nach dem Sinn: Paul Herwig als verzweifelter Georg Trakl in Walter Kappachers "Der Abschied".

Foto: APA/BARBARA GINDL

Salzburg - Der Salzburger Lyriker Georg Trakl, ein ausgebildeter Pharmazeut, hatte gleich zu Beginn des Ersten Weltkriegs, im September 1914, die Schlacht bei Grodek in Galizien miterleben müssen: Als Sanitäter sollte er im Lazarett allein mehr als hundert Schwerverwundete versorgen, es gab aber zu wenige Medikamente, Trakl hatte keine Möglichkeit, den Sterbenden zu Hilfe zu kommen.

Er versuchte sich zu erschießen, doch seine Kameraden hielten ihn davon ab. Nach einem Fluchtversuch wurde er zur Beobachtung seines Geisteszustandes in ein Krakauer Militärspital eingewiesen. Am 3. November starb der drogensüchtige Trakl in seiner Zelle an einer Überdosis Kokain.

Es lag nahe, dass die Salzburger Festspiele, die heuer ganz im Zeichen des Ersten Weltkriegs stehen, ein Stück über Trakl in Auftrag geben würden. Als vierter Beitrag des Young Directors Project gelangte Der Abschied am Freitag in der Arge Kultur zur Uraufführung.

Dem bedächtig schreibenden Salzburger Schriftsteller Walter Kappacher standen nur spärliche Informationen über Trakls letzte Tage zur Verfügung. Er maßte sich aber keine Spekulationen an. Einzig das inzestuöse Verhältnis zwischen dem Dichter und dessen Lieblingsschwester Margarethe, Gretl gerufen, ist bei ihm mehr als eine Mutmaßung: Er lässt seinen Dichter von der "weichen Haut ihrer Schenkel" schwärmen.

Warum Kappacher den inneren Monolog wählte, ist nicht nachvollziehbar. Denn Trakl erhielt kurz vor dem Tod Besuch von seinem väterlichen Freund und Förderer, dem Brenner-Herausgeber Ludwig von Ficker. Es hätte also die Möglichkeit für einen Dialog gegeben. Doch Kappacher lässt seinen Dichter mit sich selbst reden. Beziehungsweise: Trakl muss sich selbst Fragen stellen, um sie dann zu beantworten. Das wirkt etwas unbeholfen.

Das junge Team rund um den Regisseur und Reinhardt-Seminaristen Nicolas Charaux setzte den Text aber erstaunlich präzis um. Bühnenbildnerin Pia Greven baute als Zelle eine kegelartige Skulptur aus Gipsplatten; über der Szenerie hängte sie eine Art Damoklesschwert: einen Behälter, in dem Eisenkugeln immer wieder bedrohlich rollen und knirschen.

Paul Herwig, der fulminante Zettel des letztjährigen Sommernachtstraums, wehrt sich zunächst gegen die Isolation: Mit einer Axt hackt er aus dem Inneren der schwankenden Skulptur ein Loch in die Wand. Mühsam krabbelt er heraus. Mit den Händen mahlt er beim Räsonieren und Verzweifeln Gipsbrocken zu (Kokain-)Staub. Eher unvermutet gibt sich Trakl nach 80 Minuten geschlagen. Wer den YPD-Wettbewerb gewonnen hat, wird am Donnerstag bekanntgegeben. (Thomas Trenkler, DER STANDARD, 18.8.2014)