Das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) steckt in einem Dilemma: Einerseits sollen die Staatsschützer effizient und präventiv gegen neue Facetten des Terrorismus vorgehen, andererseits müssen sie dafür mit Befugnissen auskommen, die bereits vor mehr als zehn Jahren geschaffen wurden. Im digitalen Zeitalter ist das mehr als eine Ewigkeit.

Das Dilemma könnte sich auch aus dem Blickwinkel von Bürgerrechtsvertretern auftun: Gerade erst konnte der Erfolg gefeiert werden, dass die Polizei nicht mehr pauschal alle Kommunikationsdaten speichern lassen und bei Bedarf durchforsten darf. Die bereits bestehende Vorratsdatenspeicherung wurde zumindest bis auf weiteres EU-weit verboten. Aber wurden damit nicht die Strafverfolgungsbehörden geschwächt? Immerhin war das Werkzeug ja ausdrücklich für den Kampf gegen Terrorismus gedacht. Andererseits führt uns der NSA-Überwachungsskandal vor Augen, wie sich grenzenlose Geheimdienstbefugnisse zu globalem Grauen verselbstständigen können.

Fest steht: Die aktuelle Erkenntnis, dass Österreich bei der Rekrutierung von Jihadisten keine Insel der Seligen mehr ist, wird eine neuerliche Debatte über die Neuregelung von Polizeibefugnissen nach sich ziehen. Diese Debatte sollte zügig, aber ohne Panikmache geführt werden. Ebenso fix: Es wird nicht ohne Kompromisse gehen.

Das Innenministerium ist dabei, für die Verfassungsschützer ein eigenes Gesetz zu schaffen; teilweise mit Befugnissen, die für die "normale" Polizei tabu bleiben sollen. Konkret geht es etwa um die Dauer der Speicherung gesammelter Erkenntnisse. Derzeit haben terrorrelevante Observationsdaten, wenn die Ermittlungen an einem toten Punkt angelangt sind, ein Ablaufdatum von neun Monaten. Danach müssen personenbezogene Aufzeichnungen gelöscht werden. Eine Ausweitung dieser Frist wäre vermutlich sinnvoll.

Aber im Gegenzug müssen die Kontroll- und Beschwerdeinstanzen ausgebaut werden. Derzeit gibt es im Innen- und im Justizressort jeweils einen Rechtsschutzbeauftragten samt Stellvertretern für die Genehmigung verdeckter Ermittlungen und Überwachungsmaßnahmen. Neben einer personellen Aufstockung dieser Stellen wäre überhaupt die Schaffung einer zentralen Kontrolle zu überlegen - und vor allem ein leichterer Zugang für Bürger, die Auskunft verlangen. Die jetzige Prozedur zur Anfrage von möglicherweise Betroffenen gleicht eher einem Ansinnen ans Salzamt. (Michael Simoner, DER STANDARD, 23.8.2014)