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Sonja Ablinger hätte sich vom Bundeskanzler mehr Unterstützung erwartet.

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derStandard.at: Sie treten mit Ende des Jahres als Frauenvorsitzende der SPÖ Oberösterreich zurück. Treten Sie auch aus der Partei aus?

Ablinger: Nein. Ich habe den Frauenvorsitz aufgrund der jüngsten Vorgänge und Reaktionen in der Partei nach den Diffamierungen des Linzer Bürgermeisters zurückgelegt. In einem Interview mit dem STANDARD hat er am Montag unfassbare Unwahrheiten verbreitet, und es gab dazu keine Klarstellungen. Er hat von einem Gespräch mit mir und über Vorschläge an mich gesprochen, die es nie gegeben hat. Auf meine Bitte zur Richtigstellung habe ich keine Antwort von Klaus Luger erhalten. Ich habe auch den Landesparteivorsitzenden Reinhold Entholzer gebeten, das klarzustellen und entsprechend gegen diese persönlichen Diffamierungen einzugreifen. Das hat er jedoch verweigert. Er wusste, dass das, was Luger im Interview gesagt hat, nicht richtig ist.

derStandard.at: Warum hat Entholzer Sie nicht unterstützt?

Ablinger: Er hat gesagt, er mischt sich nicht ein. Entholzer hätte hier eine Verantwortung gehabt.

derStandard.at: Um welche Anschuldigung handelt es sich konkret?

Ablinger: Luger hat gesagt, es hätte ein Gespräch gegeben, in dem Walter Schopf und mir vorgeschlagen wurde, wir sollen beide auf das Mandat verzichten, damit Fiona Kaiser in den Nationalrat einziehen kann. Ein solches Gespräch hat es mit mir nie gegeben. Das war auch im Parteivorstand nie Thema.

derStandard.at: Sie haben als Abgeordnete im Nationalrat viel Gegenwind aus der eigenen Partei erlebt. Warum trifft Sie Lugers Anschuldigung plötzlich so schwer?

Ablinger: Die Frage, wie die SPÖ mit der Geschlechterquote umgeht, ist eine demokratiepolitische Frage. Die SPÖ ist in ihrer Glaubwürdigkeit gefragt. Sie kann nicht Frauenquoten in Aufsichtsräten fordern und diese in den eigenen Gremien nicht einhalten oder situationselastisch damit umgehen. Uns war wichtig, das klarzumachen. Ich weiß, dass in solchen Auseinandersetzungen ein heftiger Gegenwind kommt, und ich war immer bereit, diese zu führen. Aber wenn das Thema der Geschlechterpolitik auf der persönlichen Ebene ausgetragen wird, kann und will ich nicht mehr weitermachen.

derStandard.at: Die Position als Frauenvorsitzende und auch die Restchance auf einen Wiedereinzug in den Nationalrat haben Sie aufgegeben. Haben nicht doch jene, die Sie verhindern wollten, gewonnen?

Ablinger: Eigentlich nicht. Uns ist es darum gegangen, klarzumachen, dass die Geschlechterquote kein Gummiball ist, den man treten kann. Wenn das Schiedsgericht diesen Statutenbruch feststellt, kann es die Wiederholung der Abstimmung verlangen. Darum schlage ich dem Parteivorstand vor, Fiona Kaiser als die nach mir gereihte Frau zu nominieren. Dann haben wir das in der Sache zu einem guten Ende gebracht.

derStandard.at: Aber Sonja Ablinger, die auch in den obersten Parteikreisen als ungemütliche Parteirebellin gilt ...

Ablinger: ... ich bin eigentlich eine sehr Gemütliche.

derStandard.at: ... ist man nun los.

Ablinger: Ich habe mir das sehr lange überlegt, was es heißt, wenn man das Amt der Frauenvorsitzenden zurücklegt und notwendige Themen nicht mehr formulieren kann. Es war keine einfache Entscheidung, aber man wägt dann ab.

derStandard.at: Das Ganze wäre nicht so weit gekommen, wenn der Bundesparteivorsitzende Werner Faymann oder die Bundesfrauenvorsitzende Gabriele Heinisch-Hosek ein Machtwort gesprochen hätten.

Ablinger: Die Frauenvorsitzende und der Parteivorsitzende haben eine Chance vertan, zu zeigen, dass sie das Thema ernst nehmen. Uns wurde immer vorgeworfen, wir schaden der Partei. Wir meinen, es schadet der Partei viel mehr, wenn sie die Geschlechterfrage, die sie beim Wahlkampf ja so gerne ins Treffen führt, missachtet. Wir haben sehr viele Rückmeldungen, auch von Männern aus der Partei, die zeigen, dass angekommen ist, worum es uns geht.

derStandard.at: Glauben Sie, dass der Bundesparteivorsitzende Werner Faymann am Bundesparteitag im November aufgrund der Causa deutlich weniger Stimmen bekommen könnte ?

Ablinger: Dazu will ich keine Schätzung abgeben, das wäre unseriös.

derStandard.at: Würden Sie es begrüßen, wenn es einen Gegenkandidaten oder eine Gegenkandidatin zu Faymann geben würde?

Ablinger: Ich hätte es begrüßt, wenn der Parteivorsitzende betreffend Geschlechterquote die Verantwortung übernimmt und der Frauenfrage die entsprechende Bedeutung zumisst.

derStandard.at: Aber die Frauenfrage ist ein Grundpfeiler der Sozialdemokratie. Ist Faymann für den Vorsitz der Sozialdemokratie geeignet?

Ablinger: Lassen Sie es mich so beantworten: Der Parteivorsitzende hat auch in schwierigen Situationen eine Verantwortung. Werner Faymann ist seiner Verantwortung aktuell nicht gerecht geworden.

derStandard.at: Spannend ist aber auch, wie Ihre Parteifreunde in Oberösterreich agiert haben. Dort wurde Ihr Antrag auf Einhaltung der Quotenregelung einfach für unzulässig erklärt.

Ablinger: Darüber war ich erstaunt, und so etwas habe ich zuvor noch nie erlebt, dass ein Antrag der SPÖ-Frauen als unzulässig abgewiesen wird. Klaus Luger hat den Antrag gestellt, unseren Hinweis auf die Einhaltung der Quotenregelung als unzulässig abzulehnen. Im Anschluss wurde dann Walter Schopf mit rund 60 Prozent der Stimmen für das Nationalratsmandat nominiert. Der Bundesparteivorstand hat diese Entscheidung in Oberösterreich schließlich abgesegnet.

derStandard.at: Was machen Sie nach Übergabe Ihres Amtes Mitte Dezember?

Ablinger: Ich bin Lehrerin, Vorsitzende des Gewaltschutzzentrums und nach wie vor ein politischer Mensch. Auch wenn ich in der Partei keine Funktionen mehr habe, gebe ich mein Engagement nicht auf. Feministin bleibe ich weiterhin.

derStandard.at: Die SPÖ-Abgeordnete Daniela Holzinger hat zu Ihrem Rücktritt gesagt: "Die überzeugten Sozialdemokraten ziehen sich zurück, die SPÖ bleibt übrig." Können Sie diese fundamentale Kritik teilen?

Ablinger: Vielleicht kann die SPÖ daraus lernen, wie man künftig mit Geschlechterfragen umgeht und inhaltliche Auseinandersetzungen in einer anderen politischen Kultur führt.

derStandard.at: Haben Sie einen Ratschlag für Ihre verbliebenen Mitstreiterinnen?

Ablinger: In den Handlungen und Äußerungen muss klar sein, in welche Richtung wir Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen uns bewegen. Die Sozialdemokratie muss als Alternative wahrnehmbar sein und nicht immer den leichtesten Weg gehen. Sie muss wieder kämpfen lernen. Es ist auch bedauerlich, wie sehr die Partei in Asylfragen nachgegeben hat und damit im menschenwürdigen Umgang mit Flüchtlingen. Oder auch die Zustimmung zum neoliberalen Fiskalpakt.

derStandard.at: Und an die Parteispitze?

Ablinger: Die innerparteiliche Demokratie muss aus dem Wartesaal geholt werden. Wenn alleine in den Gremien ohne Rückkoppelung entschieden wird, entsteht eine Bunkerstimmung. So was tut einer Partei nie gut.

derStandard.at: Schließen Sie es aus, eines Tages wieder für ein Mandat zu kandidieren?

Ablinger: Derzeit habe ich wenig Lust dazu, ich kümmere mich jetzt um die ordnungsgemäße Übergabe meines Vorsitzes.

derStandard.at: Wenn Sie ein Buch schreiben würden über Ihr politisches Engagement bei der SPÖ, welchen Titel hätte dieses Buch?

Ablinger: Von der Sozialdemokratie kann frau doch mehr erwarten. (Katrin Burgstaller, derStandard.at, 18.9.2014)