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Manche Branchen spüren kaum, dass die Zahl der Lehrlinge zurückgeht. In anderen wiederum wird verzweifelt nach Nachwuchs gesucht.

Foto: APA/ANDREAS PESSENLEHNER

Wien - Ende August 2014 gab es insgesamt 8.562 Lehrstellensuchende und 4.143 offene Lehrstellen. Das geht aus dem Bericht über die Arbeitsmarktlage hervor, die das AMS Anfang September veröffentlichte. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Zahl der Lehrstellensuchenden damit leicht zurückgegangen, während die Zahl der offenen Lehrstellen fast gleichgeblieben ist. Somit ist die Lehrstellenlücke ein wenig geschrumpft. Es bleiben aber immer noch knapp 8500 Jugendliche, die eine Lehrstelle suchen.

Und das, obwohl die Zahl der potenziellen Lehranfänger seit einigen Jahren im Sinken begriffen ist. Michaela Mayrus, stellvertretende Leiterin der Lehrlingsstelle der Wirtschaftskammer Wien, sagt, dass das insbesondere in den Bundesländern schon spürbar sei, wo zum Teil die Anzahl der offenen Lehrstellen die Anzahl der Lehrstellenbewerber übersteige. "In Wien sind wir hier noch ein wenig besser dran. Da haben wir immer noch mehr Lehrstellenbewerber als offene Lehrstellen, aber das wird sich möglicherweise in Zukunft auch ändern", sagt Mayrus.

Unternehmen und Höhere Schulen konkurrieren miteinander

Auch der Wettbewerb zwischen den Unternehmen und den Höheren Schulen trägt zum drohenden Lehrlingsmangel bei. "Der Anteil derer, die nach der Pflichtschule in eine allgemeinbildende höhere Schule gehen, nimmt sehr stark zu", sagt Alfred Freundlinger von der Wirtschaftskammer Österreich. Obwohl das Modell der dualen Ausbildung europaweit als Vorbild und Erfolgsmodell gilt und als ein Grund für die niedrigen Arbeitslosenzahlen im europäischen Vergleich, ist das Image der Lehre in Österreich verbesserungswürdig.

Aufwertung des Lehrberufs

Es wurden bereits zahlreiche Anstrengungen unternommen, um die duale Ausbildung aufzuwerten. Auch Beate Sprenger vom AMS ist der Ansicht, dass hier schon viel passiert sei. Die Flexibilität etwa, die es nun innerhalb der einzelnen Ausbildungssysteme gebe, sei sehr wichtig, hebt Sprenger hervor. Auch die Wirtschaftskammer arbeitet zusammen mit anderen Einrichtungen daran, den Lehrberuf aufzuwerten und die Berufsorientierung zu stärken. "Wir starten etwa jetzt erstmals mit Berufsakademielehrgängen. Das sind Ausbildungen auf Hochschulniveau, für die es keine Reifeprüfung braucht, sondern eine abgeschlossene Berufsausbildung. Da starten wir jetzt als erster Pilotversuch mit Handelsmanagement", sagt Freundlinger.

Lehrlinge dringend gesucht

In manchen Branchen wird verzweifelt nach Lehrlingen gesucht. Der Tourismus ist ein solcher Bereich. Immerhin 605 Lehrstellen als Restaurantfachkraft wurden im Jahr 2013 angeboten. Auch 515 Köche und 222 Hotel- und Gewerbeassistenten wurden gesucht. Vor allem im Westen Österreichs fehlen im Tourismus seit Jahren zahlreiche Lehrlinge, sagt Freundlinger. "Aber auch für traditionelle handwerkliche Bereiche wie etwa Zimmerer, Dachdecker, Spengler wird es zunehmend schwieriger, Lehrlinge zu finden" sagt Freundlinger. Das betreffe aber auch das Nahrungsmittelgewerbe, zum Beispiel den Bäcker oder den Fleischer.

Dem gegenüber stehen 50 Berufe, in denen laut AMS im Jahr 2013 keine einzige Lehrlingsstelle angeboten wurde. Unter ihnen waren der Drechsler, der Polsterer, der Weber und der Uhrmacher. "Wenn es in einer Branche nur zwei oder drei Unternehmen gibt, dann gibt es dementsprechend auch weniger Lehrstellen", sagt Freundlinger im Gespräch mit derStandard.at.

Nachfrage bestimmt die Rangliste

Seit Jahren finden sich unter der "Rangliste" der Branchen, in welchen die meisten Lehrlinge arbeiten, immer dieselben Berufe. Die Mädchen entscheiden sich am öftesten für die Einzelhandelskauffrau, die Bürokauffrau oder eine Lehre als Friseurin. Der Großteil der Burschen will in den Bereichen Metalltechnik, Elektrotechnik und Kraftfahrzeugtechnik eine Lehre absolvieren.


Das liegt, laut Freundlinger aber nicht daran, dass diese "Top Ten" die beliebtesten Berufe seien. Ein solcher Schluss wäre nicht richtig, die sogenannten Spitzenreiter unter den Lehrberufen seien rein quantitativ zu verstehen: "Das sind die Berufe, die in der Wirtschaft mehr nachgefragt werden." Mayrus sieht das anders: Diese Berufe seien genau jene, die bei den jungen Menschen sehr bekannt sind. "Deshalb drängen sie vielfach genau in diese Lehrlingsberufe". Dazu würde auch das fehlende Wissen über die Fülle an Lehrberufen beitragen. "Die jungen Menschen sind oftmals sehr wenig informiert, welches Angebot an Lehrberufen es überhaupt gibt", sagt Mayrus.

Berufsinformation verbessern

Freundlinger findet es wichtig, dass es mehr Berufsinformationen und mehr Berufsorientierung gibt, "damit jeder junge Mensch für sich herausfinden kann, wo Eignung und Neigung am stärksten ausgeprägt sind". Am besten gewährleistet sei das derzeit an einer polytechnischen Schule. "In der Neuen Mittelschule gibt es auch eine verpflichtende Berufsorientierung. In einer AHS-Unterstufe hängt das sehr stark vom persönlichen Engagement der Lehrer ab", erklärt Freundlinger.

Jung, ohne Arbeit, ohne Ausbildung

Und dann gibt es da noch die sogenannten "NEETs" ("not in employment, education or training"). Das sind jene Jugendlichen, die weder in Ausbildung sind, noch eine Lehre oder Schulung absolvieren. Ihnen wurde in Österreich bisher, laut Universitätsprofessor Johann Bacher von der Universität Linz, sehr wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Er hat im Jänner 2014 in der Fachzeitschrift "Intereconomics" zusammen mit seinen Kollegen Dennis Tamesberger und Heinz Leitgöb einen Artikel zur Gruppe der NEETs publiziert.

Daraus geht hervor, dass österreichweit etwa 75.000 junge Menschen zwischen 16 und 24 in diese Kategorie fallen. "Die NEET-Hauptursache ist der frühe Schulabgang", erklärt Bacher. Im Erwerbssystem gelte es Arbeitslosigkeit und Arbeitslosigkeitserfahrung zu vermeiden. Dafür seien konjunktur- und arbeitsmarktpolitische Maßnahmen notwendig, sagt Bacher. (Elisabeth Kleinlercher, derStandard.at)