Dem Lokalkolorit entsprechend lässt sich die Regierungsklausur in der obersteirischen Bergwelt von Schladming trefflich mit dem Satz zusammenfassen: "Guat is gangen, nix is g'schehn." Keine Panne, keine Peinlichkeit, kein Aufreger.

Die politische Inszenierung mit Schwerpunkt "neue Harmonie" hat funktioniert, auch wenn, wie Politologe Peter Filzmaier anmerkt, Politshows dieser Art schon ein bissl altbacken daherkommen. Sie haben sich überlebt. Politiker auf der Alm vor der Kasnocknschüssl braucht im Grunde wirklich niemand mehr.

Natürlich haben die Bilder vom fröhlichen Hüttenabend samt üppiger Jause auch den Eindruck erweckt, dass damit von einer inhaltlichen Dürftigkeit abgelenkt werden soll. Und selbstverständlich darf man sich fragen, ob die Botschaften von Schladming nicht auch im Kanzleramt erarbeitet und verkündet hätten werden können.

Die neue gute Stimmung in der Koalition, die vermittelt wurde, hatte auch einen Namen: Michael Spindelegger. Es ist schon einigermaßen erstaunlich, wie menschlich brutal mit dem ehemals geschätzten Parteichef abgefahren wird. "Bremsklotz" ist noch die mildeste Bezeichnung, die man ihm nachruft. Es scheint, als sei er wie eine Tonne Blei auf der ÖVP und der Regierung gelegen. Jetzt, nachdem er weg ist, hat die ÖVP eine neue Leichtigkeit des Seins erfasst. Ein seltsames Bild der psychologischen Verfasstheit von Parteien.

Es durfte aber, nachdem die ÖVP und mit ihr die Regierung also von "Spindi" entfesselt wurde, wohl erwartet werden, dass nun endlich die großen Brocken von der Verwaltungs-, Spitals- und Gesundheits- bis zur Bildungsreform angepackt werden. Diesmal wirklich. Aber mitnichten. Den alten Konfliktfeldern zwischen ÖVP und SPÖ wurde ausgewichen, und es blieb wieder der schmale Grat der kleinen Kompromisse. In der Schulpolitik geht's nicht mehr um die große Reform, sondern um die kleine machbare. Es ist zwar zu begrüßen, dass endlich der Übergang vom Kindergarten die Volksschule harmonisiert und dort bildungspolitisch nachgebessert wird. Das aber als den großen Wurf zu verkaufen ist Propaganda.

Nach Schladming zu fahren und zur mächtig angekündigten Steuerentlastung nur "fünf Milliarden" zu sagen war einfach zu wenig. Ohne Unterfütterung von Fakten, ohne auch nur einen Hinweis zu geben, wo das Geld für die Entlastung gehoben werden soll, schürt das nur das Grundmisstrauen, dass am Ende ohnehin wieder alle die Rechnung zahlen werden. Das war Politik alt und unprofessionell.

Entfesselt begibt sich die Regierung jetzt in eine neue, enge Abhängigkeit. Das Bild der Pressekonferenz hatte Symbolkraft: Kanzler Faymann und Vizekanzler Mitterlehner wurden flankiert von Wirtschaftskammerchef Christoph Leitl und ÖGB-Boss Erich Foglar. Man konnte es auch so interpretieren: Nichts geht mehr ohne Zustimmung der Kammern und Gewerkschaft. Die Sozialpartner wieder als starke Ruderer im Regierungsboot lässt auf alle Fälle kein sehr großes Reformtempo erwarten, dafür jede Menge altösterreichischen Pragmatismus.

Und so fehlte in Schladming der große Spin, die Botschaft, dass das neue Regierungsteam die Zeichen der Zeit erkannt hat - und nicht wieder nur alten Wein in neue Schläuche füllt. Von einer rot-schwarzen Koalition, die weiß, dass es ihre letzte große Chance ist, wäre in Schladming einfach mehr zu erwarten gewesen.

(Walter Müller, DER STANDARD, 29.9.2014)